Goch Von der Gaststätte zur Gleichstellung

Goch · Friederike Küsters ist die neue Beauftragte der Stadt Goch in Sachen Gleichberechtigung. In ihrer Familie wird Ebenbürtigkeit gelebt, ihre Kompetenzen hat die 55-Jährige aus der Arbeit im Jugendamt - und aus ihrer Kneipe.

 Über zehn Jahre lang führte Friederike Küsters das "Café Komma" in Goch. Seit Anfang des Jahres ist sie Gleichstellungsbeauftragte der Stadt.

Über zehn Jahre lang führte Friederike Küsters das "Café Komma" in Goch. Seit Anfang des Jahres ist sie Gleichstellungsbeauftragte der Stadt.

Foto: EVERS

Sie hat fünf Kinder großgezogen - zusammen mit ihrem Mann. Die Gocher Kneipe "Café Komma" hat sie zehn Jahre geführt - zusammen mit ihrem Mann. Und auch den Haushalt für die siebenköpfige Familie schmeißen alle gemeinsam. Friederike Küsters und ihr Mann leben die Gleichberechtigung, für die sich die 55-Jährige ab sofort in Goch einsetzt. Denn seit dem 1. Januar ist sie die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt.

 Küsters übernahm das Amt von Monika van Heek.

Küsters übernahm das Amt von Monika van Heek.

Foto: STADT GOCH

Die toughe Frau mit den kurzen, blonden Haaren und den strahlend blauen Augen übernimmt das Amt von Monika van Heek, die sieben Jahre Gleichstellungsbeauftragte war und jetzt beim Rechnungsprüfungsamt arbeitet. "Sie hat vieles auf den Weg gebracht", sagt Küsters über ihre Vorgängerin. Zum Beispiel die Aktionen zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Seit Jahren werden am 25. November rote Gegenstände an die Gocher verteilt. Zum Motto "Gewalt gegen Frauen - wir haben die Nase voll" gab es rote Packungen Taschentücher, zum Slogan "Wir lassen die Frauen nicht im Regen stehen" rote Regenschirme. Küsters will die Arbeit ihrer Vorgängerin fortführen - doch auch eigene Akzente setzen.

In ihrem Büro stehen frische, gelbe Tulpen auf dem Tisch, an der Wand hängen schon die ersten Bilder. Darunter Skizzen und Malereien von Frauenkörpern, die Küsters selbst einmal angefertigt hatte, damals, als sie noch mit dem Gedanken spielte, Kunst zu studieren. Doch dann wurde es ein Pädagogikstudium und irgendwann gründete sie die Szenekneipe "Café Komma", die sie über zehn Jahre gemeinsam mit ihrem Mann führte. "Das hat meine Art, mit Menschen umzugehen, geprägt", sagt sie. Von Liebeskummer, Beziehungsstress, Glück und Leid wurde ihr an der Theke erzählt. "Da bekommt man ein offenes Ohr"- etwas, das Küsters auch in ihrer neuen Position haben will.

Die zwei ersten Kinder der Familie Küsters "gehörten quasi zum Inventar" der Kneipe. Als Küsters dann mit Zwillingen schwanger wurde, war das jedoch das Ende des Café Komma. "Das wäre zuviel geworden", sagt sie.

Also widmete sie sich der Familienarbeit und dem Haushalt. "Das ist ein Vollzeitjob, du stehst morgens als Erste auf und gehst abends als Letze ins Bett." Es sei nicht nur das Organisatorische, man müsse die Kinder auch beraten und trage die Verantwortung für sie. "Ob ein Kind oder fünf ist da ganz egal." Die Anerkennung für Menschen, die für die Familie zuhause bleiben, fehlt, findet Küsters. "Da knackt es noch." Sie habe es selbst erlebt, wie eine Mutter angegangen wurde, weil sie nicht arbeiten ging, als ihre Kinder im Kindergarten waren. "Das ist trotzdem ein Vollzeitjob, da muss man den Hut ziehen." Küsters hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Anerkennung für Mann und Frau, die Familienarbeit machen, wieder zu steigern. Ein weiterer großer Stolperstein für die Gleichberechtigung bleibt aus Küsters Sicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Küsters selbst hat den "Spagat zwischen Geldverdienen und Familie" ganz gut gemeistert, wie sie sagt. Als alle fünf Kinder - sie sind heute zwischen 19 und 30 Jahren alt - einigermaßen selbstständig wurden, machte sie eine Weiterbildung zur Erziehungsberaterin und stieß auf eine 13-Stunden-Stelle beim Jugendamt. 15 Jahre lang hatte sie zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt, die Teilzeitstelle war ein Glücksfall, sagt Küsters heute. Am Vormittag baute sie Netzwerke auf und betreute Projekte, am Nachmittag konnte sie voll für ihre Kinder da sein. Es kamen immer mehr Arbeitsstunden hinzu und mit der höheren Arbeitszeit kamen auch die verantwortungsvolleren Projekte. Zuletzt war Küsters beim Jugendamt verantwortlich für den Bereich "Frühe Hilfen", in dem Familien frühzeitig unterstützt werden. Solche Hilfe brauchte Friederike Küsters nicht, wohl jedoch die von ihrem Mann. "Ich habe einen Mann zuhause, der mich immer unheimlich unterstützt hat." Sie findet, dass das eine "privilegierte Situation" ist. Weil ihr Mann als Schreiner und Immobilienberater selbstständig ist, ist er zwar viel unterwegs, konnte sich seine Zeit jedoch meist flexibel einteilen. Der Familienhaushalt wurde aber auch von den Kindern unterstützt. Auf dem Haushaltsplan standen Gassigehen mit dem Hund genauso wie Spülen. Egal ob Söhne oder Töchter - "da hat jeder alles gemacht." Gleichberechtigung vorzuleben sei eines der wichtigsten Dinge, findet Küsters.

Dabei sieht sich die neue Gleichstellungsbeauftragte auch für Männer zuständig. In ihrer Zeit beim Jugendamt hat sie gesehen, dass nicht nur Mädchen Unterstützung brauchen. Zum Beispiel seien beim Thema Missbrauch immer wieder auch Jungs betroffen. "Wir müssen eine Balance zwischen den Geschlechtern schaffen", sagt Küsters. Für sie ist klar: Der Schlüssel für die Gleichberechtigung liegt im Teamwork von Mann und Frau.

Sie weiß es aus ihrem eigenen Leben. "Mein Mann und ich, wir haben immer als Team funktioniert. Seit 32 Jahren schon."

(mre)
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