Goch Wollsockenwetter mit Marktschreiern

Goch · Der erste Flachsmarkt im Jahr lief bei morgendlichem Nebel etwas schleppend an, entwickelte sich dann aber gewohnt positiv. Besonders Warmes für Füße und Kopf war gefragt, außerdem Stoffe und nützliche Haushaltsutensilien.

Zweimal im Jahr ist in Goch Freundinnen-Tag. Mutter-Tochter, Nachbarinnen oder Schwestern geht auch. Weniger empfehlenswert: den Ehemann mitnehmen. Es sei denn, er verfügt über die innere Reife, für die eine mindestens 60-jährige Lebenserfahrung nötig ist. Weil es auch solche Paare am Niederrhein reichlich gibt, waren gestern gut gelaunte Menschen beiderlei Geschlechts in den Straßen Gochs unterwegs, um Dinge zu kaufen, ohne die man auch zurecht käme, die aber Freude bereiten. Eine neue Bratpfanne, Schuhputzmittel, ein Gemüsehobel, der die Fingerkuppen schont oder ein stützendes Korsett - all das sind typische Flachsmarktartikel, die die Kundschaft aus der Umgebung begeistern.

Wegen der morgendlichen Feuchtigkeit warteten viele Gocher und Gäste aus der Nachbarschaft, bis sich der Nebel verzogen hatte. Ab halb zehn füllten sich die Gassen merklich, und so langsam tauten auch die Händler auf. Denn die sind das vielzitierte Salz in der Flachsmarkt-Suppe: Die frechen Sprüche von "Aal-Volker" und seinen Kollegen gehören für Flachsmarkt-Fans unbedingt dazu. Nicht einfach, den flotten Werbesprüchen der geübten Marktschreier zu widerstehen. Wobei sich mancher einfach der guten Unterhaltung wegen mal gerne für eine Weile in die zweite Reihe stellt und einfach nur lauscht.

Bei sieben, acht Grad Celsius gehen die Blicke der Schlendernden immer wieder zu den Ständen mit warmen Socken und Mützen. Die Auswahl ist immens: Mit Angorawolle, Schurwolle, Kaschmir, günstiger mit reichlich Polyamid oder Baumwolle ist für jeden Anspruch der geeignete Fußwärmer vorhanden. Ebenso verhält es sich mit den Mützen in Kappen- oder Hutform, aus Filz, Leder oder Stoff. Mit kaltem Kopf muss niemand den Flachsmarkt verlassen.

Während in vier Wochen, beim zweiten Flachsmarkt, die adventlichen Kränze und Gestecke ein Thema sein werden, gab es gestern Grabschmuck zu Allerheiligen und Vieles, was den trüben November freundlicher machen soll. Zum Beispiel Stoffe in allen Sorten: Begabte Frauen nähen daraus Tischdecken und Gardinen, weniger talentierte wählen die Fertigteile aus. Mit genügend Selbstbewusstsein ist auch das Wühlen in Stapeln fleischfarbener oder himmelblauer "Liebestöter" beliebt. Interessant: Auch diese delikaten Teile werden vorwiegend von handfesten Männern verkauft.

Ebenso wie die Gemüsehobel, Salatschleudern, Fleckenmittel oder Kochtöpfe, in denen nichts anbrennt und alles schonend gegart wird. Oder Bürsten: Olaf Baumgardt kommt regelmäßig die 300 Kilometer aus Hessen zum Gocher Flachsmarkt gefahren, um dort seine Besen und Bürsten für Bad, Küche, Kamin oder Parkett abzusetzen. Vom feinsten Ziegenhaar-Besen für den Hochglanz-Bodenbelag bis zum groben Ein-Meter-Akkordbesen für den Bürgersteig hat Baumgardt alles im Angebot. Und es wird gekauft.

Der Typ mit der Biberfellmütze, der Kauknochen für Hunde verkauft, der bunt gekleidete Schuhputzer, Aal-Volker, der morgens um neun am Handy eines Seniors dessen Frau erklärt, was dieser gleich nach Hause bringen wird, ein Stand mit Kinderspielzeug, dessen Betreiber auch Rückenkratzer verscherbelt - alles wie gehabt. Und doch jedes Mal aufs Neue schön.

(RP)
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