Grevenbroich Ärzte-Team hilft afghanischen Kindern

Grevenbroich · Das Kreiskrankenhaus St. Elisabeth setzt sich in Kooperation mit dem Friedensdorf Oberhausen für die medizinische Behandlung von notleidenden Kindern aus Krisenregionen ein. Gestern verließen zwei junge Afghanen die Klinik.

 Die Koffer sind gepackt: Ali (vorne) und Peyman (r.) aus Afghanistan gestern kurz vor der Abreise bei der Verabschiedung vom medizinischen Team um Professor Lothar Köhler (hinten rechts).

Die Koffer sind gepackt: Ali (vorne) und Peyman (r.) aus Afghanistan gestern kurz vor der Abreise bei der Verabschiedung vom medizinischen Team um Professor Lothar Köhler (hinten rechts).

Foto: Lothar Berns

Als gestern Mittag der Abschied näher rückt, kullern Ali dann doch Tränen über die Wangen. Zwar versucht der Zehnjährige noch, sie zurückzuhalten - doch vergebens. Dieser Abschied bewegt das Herz des Jungen aus Afghanistan, auch weil er dem Team im Kreiskrankenhaus St. Elisabeth viel zu verdanken hat: Dort wurden Ali und der ebenfalls aus Afghanistan stammende Peyman (11) im vergangenen halben Jahr behandelt. Die beiden Jungen litten an schweren Knochenmarkvereiterungen in den Beinen, in Afghanistan wären ihnen Gliedmaßen amputiert worden. Nach mehreren Operationen in Grevenbroich sind die Beschwerden nun ausgeräumt. Stark vereinfacht lässt sich sagen: Die Ärzte in der Schlossstadt haben beiden Jungen jeweils ein Bein gerettet.

 Die beiden jungen Afghanen wurden im Kreiskrankenhaus St. Elisabeth behandelt und mehrfach operiert.

Die beiden jungen Afghanen wurden im Kreiskrankenhaus St. Elisabeth behandelt und mehrfach operiert.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Ermöglicht wurden die Operationen und die Therapie durch die Zusammenarbeit des Kreiskrankenhauses mit dem Friedensdorf in Oberhausen. Die Hilfseinrichtung holt kranke und verletzte Kinder aus Kriegs- und Krisenregionen zur medizinischen Versorgung nach Deutschland. Ali und Peyman wurden in Grevenbroich von einem Team um Professor Lothar Köhler, Chefarzt der chirurgischen Klinik, die Leitende Oberärztin Dr. Angela Meyer und Oberärztin Dr. Claudia Esser betreut. "Insgesamt haben wir in den vergangenen fünf Jahren in Kooperation mit dem Friedensdorf 14 Kinder behandelt", sagt Köhler.

Dabei sind die Mediziner immer wieder überwältigt von der Anteilnahme der Bevölkerung - auch jetzt. "Viele kennen Ali und Peyman von Stadtgängen und haben die beiden später auch mal in der Klinik besucht", sagt Angela Meyer. Dabei gab es für die beiden Afghanen auch Geschenke. Vor allem aber nahmen sich die Bürger Zeit für die Jungs - das vermutlich kostbarste Gut, das die Patienten in der für sie fremden Umgebung, dem fremden Land neben medizinischer Versorgung benötigen. Ali und Peyman wissen die Hilfsbereitschaft zu schätzen. Auch deshalb sind sie gestern hin und hergerissen: Einerseits steht das Lebewohl an, andererseits freuen sie sich auf das Wiedersehen mit ihren Familien in Afghanistan. Im Anschluss an die Behandlung kehren die Schützlinge zurück zu ihren Familien in die Heimat. Deshalb rücken im Kreiskrankenhaus gestern Marina Demirciyan vom Friedensdorf Oberhausen und Ursula Sagolla, die dort als Ehrenamtlerin tätig ist, an. Sie holen die jungen Afghanen ab. Zwischen den Operationen und Behandlungen in Grevenbroich haben Ali und Peyman bereits im Friedensdorf gewohnt. Dort sorgt ein großer Mitarbeiter-Stab für eine Rundum-Versorgung seiner Schützlinge. Zweimal im Jahr werden Kinder aus Asien und der Kaukasusregion zur Behandlung nach Deutschland geholt, zweimal aus Angola. "Sie bleiben für sechs Monate bei uns", sagt Demirciyan. Die Arbeit des Friedensdorfes finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Förderer - in erster Linie aber durch Spenden. Gegründet wurde der Verein "Friedensdorf International" 1967.

Auf die Frage, ob er sich in Deutschland wohlgefühlt habe, antwortet Ali mit einem "Ja", das aus tiefstem Herzen zu kommen scheint. Die Tränen weichen, jetzt huscht auch wieder ein Lächeln über sein Gesicht. Dass Peyman und Ali sich schon nach wenigen Wochen gut verständigen konnten, liegt auch an Roland Brozio. Der pensionierte Lehrer büffelte mit den beiden Deutsch, aber auch Mathe und Geografie. "Sie haben sehr schnell gelernt", sagt Brozio. Wie schnell, das hat das Ärzte-Team rasch im Alltag erfahren. Ali und Peyman sind große Fußballfans. Da mussten die Mediziner und das Schwestern-Team unter Leitung von Dorothea Lambertz auch schon mal Fragen zu Lionel Messi und Cristiano Ronaldo beantworten.

Claudia Esser ist mit dem Heilungsprozess bei den Patienten aus dem krisengeschüttelten Afghanistan zufrieden. Ali musste fünf, Peyman sechs Mal operiert werden. Beide seien im Grunde wieder voll belastbar. "Als Ursache für die Verletzungen, die wir behandelt haben, vermuten wir zivile Unfälle", sagt Esser. Die Arbeit für das Friedensdorf ist für die Mediziner eine Herzensangelegenheit. Zum Abschied gibt's sogar eine Umarmung.

(NGZ)
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