Grevenbroich Autorin schreibt über Kriegserlebnisse

Grevenbroich · Die Wirren des Krieges prägen ihr Leben: Mit elf Jahren schlug sich Anita Schorn alleine von Helmstedt nach Köln durch. Zuhause erkannte ihr Vater sie nicht mehr. Erinnerungen der Grevenbroicherin wurden jetzt in den USA veröffentlicht.

 Anita Schorn schreibt gerne. Sie hat bereits elf Bücher und 31 Kurzgeschichten veröffentlicht. Immer wieder wird sie auch zu Lesungen eingeladen. Ihre Lebensgeschichte wurde jetzt in einem amerikanischen Zeitzeugen-Buch publiziert.

Anita Schorn schreibt gerne. Sie hat bereits elf Bücher und 31 Kurzgeschichten veröffentlicht. Immer wieder wird sie auch zu Lesungen eingeladen. Ihre Lebensgeschichte wurde jetzt in einem amerikanischen Zeitzeugen-Buch publiziert.

Foto: woi

Amerika zählt zu den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs. Viele Menschen, die den Krieg miterlebt haben, erinnern sich noch an die Befreiung durch die Amerikaner und die Versorgung der oft hungernden Bevölkerung durch US-Soldaten. Auch Anne Schorn aus Mühlrath - die meisten kennen sie unter dem Namen Anita Schorn - kann sich erinnern. "Ich habe mir am Westbahnhof ,Carepakete' abholen dürfen. Erstaunt war ich einmal über sehr süße, klebrige Datteln", berichtet die 82-Jährige.

Aber das ist längst nicht der Anfang ihrer aufregenden Geschichte, die jetzt in Teilen den Stoff für ein amerikanisches Buch über Kinder, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen sind, liefert. "Small feet on the run" ("Kleine Füße auf der Flucht") heißt das Werk der in Deutschland geborenen und seit Jahrzehnten im US-Bundesstaat Ohio lebenden Autorin Sieglinde Martin, die in ihrem neuen Buch unter anderem die filmreife Geschichte der Mühlratherin Anne Schorn erzählt. Sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf eine im Jahr 2000 von Schorn veröffentlichte Autobiografie, mit der die Zeitzeugin ihre Erinnerungen an Krieg und Nachkriegszeit in Deutschland für die Nachwelt erhalten möchte.

Anne Schorn hat tatsächlich viel erlebt: Sie ist ein "kölsches Mädsche", wie sie sagt. "Ich bin im Kölner Stadtteil Kalk geboren und in Klettenberg aufgewachsen. Dann kam der Krieg", erzählt die 82-Jährige. Ihre Mutter war früh gestorben, ihr Vater war als Soldat in der damals zum Deutschen Reich gehörenden Region Pommern stationiert. Als Kind habe sie an einer sogenannten Kinderlandverschickung teilgenommen und ein halbes Jahr zur Erholung vom Bombenkrieg über den deutschen Großstädten in Sachsen verbracht. Kurz vor Kriegsende 1945 reiste sie zu ihrem Vater nach Pommern. Als sich die Ostfront zusehends gen Westen verschob, flüchtete sie gemeinsam mit ihrer Schwester, ihrer Stiefmutter, ihrer Stiefgroßmutter und ihrer Stiefschwester - ihr Vater hatte zwischenzeitlich in Pommern eine neue Frau kennengelernt - zurück nach Deutschland.

Danach begann die Familie, wie sie sagt, einen Fehler. "Wir haben uns aufgeteilt. Meine Stiefgroßmutter, meine Stiefschwester und ich sind wieder zurückgekehrt nach Pommern. Dort haben wir unsere alte Wohnung in einem schlimmen Zustand vorgefunden. Überhaupt waren die Zustände dort katastrophal", erinnert sich Anne Schorn, die schließlich erneut flüchtete, irgendwo in der Nähe der Stadt Helmstedt an der Grenze zum heutigen Sachsen-Anhalt aber ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, da sie sich mit thyphusübertragenden Bazillen infiziert hatte. "Direkt nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich mich alleine auf den Weg nach Hause gemacht. Da war ich elf Jahre alt."

Ihre Stiefgroßmutter und ihre Stiefschwester waren bereits zuvor zurück nach Köln geschickt worden. "Ich bin alleine mit dem Zug gefahren und tatsächlich am Deutzer Bahnhof angekommen", sagt Anne Schorn, die durch einen Brief ihres inzwischen aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen Vaters erfuhr, dass ihr Haus in Klettenberg bei einem Bombenangriff zerstört worden war und die Familie deshalb in eine Notunterkunft in der Nachbarschaft ziehen musste. "Als ich dort klingelte, erkannte mein Vater mich zuerst gar nicht. Ich war groß geworden und stark abgemagert - aber endlich wieder zuhause." Was sie heute zugibt: Im harten Winter 1946/47 hat sie "gefringst" - also in der Not Kohlen zum Heizen von bei Köln haltenden Zügen geklaut. Das ist genau 70 Jahre her.

(cka)
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