"Eure Augen möchte ich sehen, wenn ihr dies lest" Carl Oberbach - Chronist und Maler

"Eure Augen möchte ich sehen, wenn ihr dies lest" · Ein Straßenzug in der Innenstadt erinnert an einen Mann, der ein Stück Grevenbroicher Geschichte geschrieben hat. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Carl Oberbach, der vor 134 Jahren an der Breite Straße geboren wurde und 1939 starb, hat eine Chronik verfasst, die nicht nur das Leben seiner Familie, sondern auch den Werdegang der Schloss-Stadt über einen Zeitraum von fast drei Jahrzehnten schildert. Eine der zahlreichen Zeichnungen aus der Familienchronik: Die Oberbachs beim Sonntagsspaziergang im Jahr 1904. Carl Oberbach gehörte zwar zur Verwaltungsriege der Maschinenfabrik, seine große Liebe aber galt der Malerei.

Ein Straßenzug in der Innenstadt erinnert an einen Mann, der ein Stück Grevenbroicher Geschichte geschrieben hat. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Carl Oberbach, der vor 134 Jahren an der Breite Straße geboren wurde und 1939 starb, hat eine Chronik verfasst, die nicht nur das Leben seiner Familie, sondern auch den Werdegang der Schloss-Stadt über einen Zeitraum von fast drei Jahrzehnten schildert. Eine der zahlreichen Zeichnungen aus der Familienchronik: Die Oberbachs beim Sonntagsspaziergang im Jahr 1904. Carl Oberbach gehörte zwar zur Verwaltungsriege der Maschinenfabrik, seine große Liebe aber galt der Malerei.

Vor nahezu 100 Jahren begann Oberbach mit seinen Aufzeichnungen, die er ganz bewusst für die Nachwelt verfasste. Denn schon 1923 schrieb er: "Eure Augen möchte ich sehen, wenn ihr dies lest." Der Grevenbroicher Geschichtsverein hat die Oberbach'sche Familienchronik vor einigen Jahren in Form eines interessanten Lesebuchs herausgegeben. Darin wird das Familienoberhaupt als Mensch mit breit gefächerten Interessen geschildert.

Als "Beamter" der Maschinenfabrik Grevenbroich, wie damals die höheren Verwaltungsangestellten hießen, gehörte er zur Führungsriege des Unternehmens, das ihn mit zahlreichen wichtigen Aufgaben betraute. Seine große Liebe aber galt nicht dem "Brotberuf", sondern einer künstlerischen Begabung als Zeichner und Maler. Ungezählte Bilder hat er geschaffen, viele hat er verkaufen können, und heute noch hängen in zahlreichen Grevenbroicher Wohnungen Gemälde und Zeichnungen von seiner Hand - wenn auch oft nur als Kopie. Und nicht zuletzt sind es die Illustrationen, die seine Chronik so abwechslungsreich und informativ gestalten.

Seine Musikbegeisterung erbte Carl Oberbach vom Vater, der die Kinder und später die Enkel am Klavier unterrichtete. Zeitweilig gehörte er der "Harmonia" an. Theater-, Oper- und Konzertbesuche schienen ihm bis ins hohe Alter ein Bedürfnis zu sein. Über die künstlerischen Steckenpferde scheint Carl Oberbach auch die alltäglichen Dinge nicht vergessen zu haben. Er bestellte einen großen Garten, war als leidenschaftlicher Angler am Ufer der Erft zu sehen und ließ sich in den Stadtrat wählen. In fast kindlicher Begeisterung für alle technischen Neuerungen kaufte er ein Hochrad, dann ein Niederrad und ein Motorrad (für den Sohn) und schließlich sogar ein Auto.

Selbstportrait: Carl Oberbach 1938, im Alter von 69 Jahren. Ein Jahr später verstarb der Maler.

Noch im hohen Alter unternahm er eine Flugreise. Und selbstverständlich schaffte er sich als einer der ersten in Grevenbroich ein Rundfunkgerät an und ließ später seine Stimme auf Schallplatte aufnehmen. Wenn er auch an dem Ergebnis nicht unbedingt seine helle Freude hatte: "Ich erkannte meine Stimme nicht wieder. Krächzen!", notierte Oberbach im Jahr 1937. Ein großes Vergnügen bereiteten ihm zahlreiche Reisen. Im Auftrag seiner Firma führte ihn die erste größere Auslandsreise 1899 nach Rumänien; 1901 reiste er für das Unternehmen nach Russland.

Privat fuhr er in die Niederlande und nach Belgien, in die Schweiz, nach Spanien und Italien. Innerhalb Deutschlands durchwanderte Carl Oberbach mehrfach die Eifel und das Rheinland, er fuhr an den Bodensee und noch 1939 unternahm er eine mehrwöchige Reise nach Ostpreußen. Der Chronist registrierte mit großer Genauigkeit die Dinge des täglichen Lebens und seines engeren Umkreises, die innerfamiliären Angelegenheiten, wie auch Probleme seiner Stadt Grevenbroich und zunehmend ab 1912 die nationalen und internationalen Probleme. "Dabei ist er fest verwurzelt im Boden seiner ,gut bürgerlichen' Familie und seiner damals doch recht kleinen Heimatstadt", schrieb der damalige Geschichtsvereins-Vorsitzende Dr. Wilhelm Lauth in einem Vorwort zur Chronik.

Trotz dieser scheinbaren bürgerlichen Enge zeigte Oberbach einen erstaunlichen politischen Weitblick, besonders was den Ausbruch des Ersten Weltkriegs betraf. Spätestens zu dieser Zeit werden die Lebensumstände in Grevenbroich in der Oberbach'schen Chronik als Reflexe der großen Politik aufgefasst, die dann das Hauptthema bis 1938 bildet - nur unterbrochen von den Schilderungen schwerer persönlicher Schicksalsschläge. Der erschütternde, oft allzu frühe Tod zahlreicher Bekannter und Verwandter des Autors mag ahnen lassen, wie erschreckend hoch die Sterblichkeitsrate zur Zeit des Chronisten war.

Interessant ist seine Skepsis gegenüber den Nationalsozialisten, die sich als Retter Deutschlands aufspielten und von vielen Bürgern hoffnungsfroh begrüßt wurden. Mit Empörung berichten die letzten Eintragungen in der Chronik von den Ausschreitungen in der Reichspogromnacht. Krankheit und Alter werden Oberbach vermutlich an einem weiteren Engagement gehindert haben. Im Jahr 1938 beendete Carl Oberbach, schwer erkrankt an einem Augenleiden, seine Chronik, die sich heute im Privatbesitz befindet. Einer der letzten Sätze, die der er notierte: "Mir hat die Arbeit an dem Buch viel Freude gemacht und manche Stunde der Langeweile ausgefüllt." wilp

(NGZ)
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