Grevenbroich Das große Ringen um Jamaika

Grevenbroich · Die Frage nach der nächsten Regierungskoalition im Bundestag war gestern Abend auch im Rhein-Kreis das Thema bei allen Wahlpartys. Die SPD wehrt sich gegen den Vorwurf der "Drückebergerei".

Bundestagswahl 2017 in Grevenbroich: Das große Ringen um Jamaika
Foto: Tinter Anja

"Es kommt jetzt auf die Union an" - für den CDU-Spitzenkandidaten Hermann Gröhe bedeutet das Wahlergebnis vor allem eins: Der Regierungsauftrag liegt bei der CDU und damit die Verpflichtung, für eine stabile Mehrheit im neuen Bundestag zu sorgen. Die SPD, stellt er fest, klinke sich dabei aber aus. So sieht auch der Neusser CDU-Chef und Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings "komplizierte Verhandlungen" auf die Bundes-CDU zukommen - mit der FDP und den Grünen. Der Korschenbroicher CDU-Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling mahnt: "Die Regierungsbildung wird sehr schwierig." Sein Wunsch jedenfalls hat sich nicht erfüllt. "Ich habe mir eine Koalition aus CDU/CSU und FDP gewünscht. Dafür reicht es nicht. Eine Jamaika-Koalition sehe ich als Innenpolitiker als schwierig an", betont Heveling.

Gegen den indirekt vorgetragenen Vorwurf der "Drückebergerei", stellt der SPD-Direktkandidat Daniel Rinkert, die Ansage, dass die Große Koalition abgewählt wurde und die SPD in die Opposition gehen müsse - "um zu verhindern, dass Rechtsnationalisten die größte Oppositionspartei im neuen Bundestag sind". Dem pflichtet SPD-Parteichef Benno Jakubassa bei: "Eine starke Opposition ist nicht möglich ohne die SPD", sagt er - und fragt sich, ob die SPD nicht besser schon vor vier Jahren diesen Weg hätte gehen müssen, um "die AfD in Grenzen zu halten".

In Dormagen sieht der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Jo Deußen "kein Wunschergebnis, aber den Auftrag der Wähler für eine Jamaika-Koalition. Die Vermittlung zwischen Grünen und FDP wird eine große Herausforderung für die CDU." Aus Sicht des Dormagener FDP-Parteivorsitzenden Torsten Günzel hätten die Liberalen auch eine "tolle Oppositionsarbeit gemacht. Aber die Regierungsbeteiligung ist natürlich erstrebenswert, wenn sie nicht zu teuer erkauft wird". Die Streitereien aus dem Wahlkampf bei den Jamaika-Verhandlungen vergessen, fordert Grünen-Chefin Jaroslava Voigt (Dormagen), "zum Wohl der Gesellschaft. Wir brauchen neue Impulse und Lösungen für die anstehenden Themen und Probleme".

In Grevenbroich sieht auch CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kaiser die Jamaika-Koalition als eine Herausforderung an. "Es wird sicherlich nicht einfach sein, zwischen FDP und Grünen zu vermitteln", vermutet er. "Entscheidend werden die Inhalte sein - aber das ist jetzt noch kein Thema", sagte Bijan Djir-Sarai (FDP). Peter Gehrmann (Grüne) geht davon aus, dass seine Partei hart am Koalitionstisch verhandeln werde. "Die Frage ist, ob die FDP mitspielen und nicht ihr Heil in der Opposition suchen wird." Otto Fricke (FDP) äußert sich prosaisch. "Jamaika ist eine Insel, die weit weg ist. Es ist ein langer Weg dorthin, und man muss sehen, ob man sich dafür entscheidet."

Dass sich die SPD "verweigert", sei "kein verantwortungsbewusstes Verhalten an einem Wahlabend", wertete NRW-Landesminister Lutz Lienenkämper (CDU). Es komme nun darauf an, dass die Union eine starke Regierung bilde. "Mit AfD und Linken werden wir nicht reden", sagte Lienenkämper. Den Vorwurf, dass sich seine Partei aus der Verantwortung stehlen wolle, teilt der Grevenbroicher SPD-Fraktionschef Horst Gerbrand nicht. "Ich denke, es ist wichtig, jetzt in die Opposition zu gehen, um daraus neu zu erstarken", betonte er. Etwas anders sieht das Bürgermeister Klaus Krützen (SPD): "Man sollte nicht so schnell die Türe zumachen", sagte er. "Die Politik der Großen Koalition war nicht so schlecht, wie sie sich im Wahlergebnis widerspiegelt."

Die Kaarster Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus (CDU) glaubt zwar, "dass eine Große Koalition stabiler" wäre. "Eine Jamaika-Koalition fände ich aber durchaus spannend." Für Christian Gaumitz, Kreisvorsitzender der Grünen, ist klar: "Wir haben im Vorfeld eine solche Koalition nicht ausgeschlossen, nun sollten wir auch die Gespräche führen - mit einem klaren inhaltlichen Profil."

(NGZ)
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