Jahresrückblick Das Mega-Kraftwerk steht

Jahresrückblick · Der Kraftwerksbau in Grevenbroich-Neurath ist neben der Hamburger Hafen-City die größte Baustelle Europas. Die beiden Braunkohlenblöcke, die RWE Power errichtet, sollen 2011 in Betrieb gehen. Zusammen können sie zehn Millionen Menschen mit Strom versorgen.

Das Braunkohlekraftwerk in Neurath entsteht
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Das Braunkohlekraftwerk in Neurath entsteht

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Rund 3100 Arbeiter aus 17 Ländern sind auf dem 54 Hektar großen Gelände im Einsatz, das Investitionsvolumen beträgt 2,2 Milliarden Euro, zur Grundsteinlegung im August 2006 kam Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das Energie-Unternehmen RWE Power baut in Grevenbroich-Neurath ein neues Braunkohlenkraftwerk, das aus zwei Blöcken mit optimierter Anlagentechnik (BoA) besteht.

Mitte 2011 soll der erste der beiden Blöcke F (Friedrich) und G (Gustav) in Betrieb gehen, der zweite soll vier bis sechs Monate später folgen. Dann produzieren beide Anlagen eine Bruttoleistung von zusammen 2200 Megawatt, die flexibel herauf- und heruntergefahren werden kann. So kann auf die wechselnde Stromproduktion aus Windenergie reagiert werden.

Im Zuge des Kraftwerksneubaus will RWE bis zum Ende des Jahres 2011 zwölf 150 Megawatt-Blöcke stilllegen. In Frimmersdorf wurden bislang vier Altanlagen außer Betrieb genommen, acht weitere sollen in den nächsten Monaten folgen. Die Blöcke bleiben bestehen, ein Abriss ist aus technischen Gründen nicht möglich, heißt es bei RWE.

Äußerlich ist das neue Mega-Kraftwerk bereits fertig. Schon im vergangenen Sommer wurden die von außen sichtbaren Arbeiten auf der Baustelle beendet. Nachdem im Juli das letzte 200 Tonnen schwere Teil in die Kohlebandbrücken gehoben wurde, konnten die 170 Meter hohen Kräne demontiert werden. Danach ging es an den Ausbau der fertigen Gebäude wie Maschinen- und Kesselhaus. Inzwischen ist das Kraftwerk im Stadium der Inbetriebnahme, einzelne Komponenten werden ausgiebig getestet und überprüft.

Schrauben, so groß wie Kinderarme

Dabei werden auch Störfälle simuliert, um die Sicherheit der Anlage festzustellen. Und Sicherheit ist, das merkt der Besucher schnell, ein zentrales Thema auf der Riesen-Baustelle. Das geht schon los, bevor man überhaupt auf das Gelände kommt. Zunächst werden Besucher von einem Computer über die Sicherheitsbestimmungen informiert. Es müssen Fragen beantwortet werden wie bei einem Quiz. Was darf man? Worauf muss geachtet werden? Nach der Einführung gibt es Schutzkleidung, erst damit darf das Gelände betreten werden.

Mit dem Lastenaufzug geht es in den Leitstand der beiden BoA-Blöcke. Der Raum liegt in 15 Metern Höhe, zwischen "Gustav" und "Friedrich" und ist so etwas wie das zentrale Nervensystem der Anlage. Viele Computer stehen auf den Tischen, große Monitore hängen an den Wänden, dort laufen alle Steuerungsprozesse zusammen. Über einen Flur geht es in die Turbinenhalle. In einem Regal stehen Schrauben, die so groß sind wie Kinderarme. Überhaupt sind die Größenordnungen gigantisch: Die Anlagen haben eine Höhe von 173 Metern, allein der Kessel wiegt 35.000 Tonnen.

Von diesen Dimensionen sind die Arbeiter auf der Kraftwerksbaustelle längst nicht mehr beeindruckt. An den Sicherheitsmaßnahmen kommen aber auch sie nicht vorbei. Auch sie müssen an den Computerterminals morgens vor Betreten des Geländes Fragen beantworten. Antworten sie falsch, dürfen sie an diesem Tag nicht auf der Baustelle arbeiten. Antworten sie an mehreren Tagen falsch, dürfen sie das Gelände nie wieder betreten.

Fünf Arbeiter starben bei Unfällen

Diese strengen Regeln sind eine Folge der tödlichen Zwischenfälle, die sich 2007 in Neurath ereignet haben. Insgesamt haben seit Beginn der Bauarbeiten im Januar 2006 fünf Menschen ihr Leben auf dem BoA-Gelände verloren. Der schlimmste Unfall war der am 25. Oktober 2007: Drei Arbeiter im Alter zwischen 25 und 35 Jahren sind beim Einsturz eines tonnenschweren Gerüsts in 160 Metern Höhe ums Leben gekommen. Einer von ihnen hing fast 24 Stunden lang in mehr als 100 Metern Höhe tot an seinem Sicherheitsseil. Wie für seine beiden Kollegen kam auch für ihn jede Hilfe zu spät. Der Rhein-Kreis Neuss löste Katastrophenalarm aus.

Zur Ermittlung der Unfallursache hatten die Behörden Teile der Kraftwerksbaustelle monatelang stillgelegt. Das führte zu einer ersten Verzögerung des Zeitplans, ursprünglich hatte RWE geplant, den ersten Kraftwerksblock Ende 2009 in Betrieb zu nehmen. 2010 stellte das Energie-Unternehmen Qualitätsmängel und erhebliche Planungsdefizite bei beauftragten Firmen fest, die nachgebessert werden mussten. Jetzt hinkt das Kraftwerk seinem Zeitplan anderhalb Jahre hinterher.

(dhk)
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