Grevenbroich Der Brauchtumsforscher aus Langwaden

Grevenbroich · Theologe und Volkskundler Manfred Becker-Huberti referiert morgen über christliche Bräuche in der Heimat.

 Ein Körbchen Buntes als ansehnliches Sammelsurium unterschiedlich gestalteter Ostereier. Manfred Becker-Huberti hat sie gesammelt und weiß zu österlichen Bräuchen viele weitere Geschichten zu berichten.

Ein Körbchen Buntes als ansehnliches Sammelsurium unterschiedlich gestalteter Ostereier. Manfred Becker-Huberti hat sie gesammelt und weiß zu österlichen Bräuchen viele weitere Geschichten zu berichten.

Foto: von Dolega

Ob Heimat sich von Ministerien verwalten lässt, wird sich zeigen. Dass sie sprichwörtlich in aller Munde ist, hat damit zu tun, dass sie Identität stiftet. "Sie macht unverwechselbar. Denn zur Heimat gehören Gebräuche und sie kennzeichnen Zugehörigkeit oder Fremdheit", sagt Professor Manfred Becker-Huberti, Theologe und Volkskundler aus Langwaden.

Wie beispielsweise die Erbsensuppe zu schmecken hat, um das gewisse Etwas im Sinne eines Wow-Effekts zu haben, fußt nicht auf dem Rezept eines Sternekochs, "sondern schmeckt so wie sie die Mama zubereitete", führt der Fachmann aus. "Tradition, Verhaltens- und Denkweisen sind emotional verankert" und funktionieren nach dem Motto "das habe ich nicht nur, das bin ich auch". Morgen spricht der Langwadener in der Villa Erckens zum Thema, sein Vortrag beim Geschichtsverein trägt den Titel "Mehr als 1500 Jahre christliche Bräuche im Rheinland. Über den Sinn unserer Tradition". "Ich kenne mehr als 1500 Bräuche und keine Angst, ich werde nicht über alle sprechen", sagt Becker-Huberti lachend. Wissenschaftlich fundiert, mit handfesten Beispielen gespickt, geht es um das, was im schönen Rheinland "gute Sitte" ist. Und das, sagt der Professor, muss sich ändern, um zu bleiben wie es ist. Es "lässt sich nicht einpflanzen, versucht man es zu betonieren, ist es tot".

Vieles, über das er in seiner unnachahmlichen plastischen Vortragsart sprechen wird, sind Gebräuche aus dem 19. Jahrhundert. Karneval und St. Martins-Brauchtum gehören dazu, beide damals "wieder entstanden und neu gefasst". Eine Verwandtschaft beider Feste besteht darin, dass sowohl der Zug an Rosenmontag wie auch der an St. Martin Erfindungen sind, "um die bis dahin tagelang durch die Stadt tobende Menge" zu bändigen. "Die Veranstalter hofften, damit das Chaos in den Griff zu bekommen", allerdings rechnete keiner mit den "rheinischen Kindern: Die ziehen erst brav hinter St. Martin her und gripschen trotzdem".

 Manfred Becker-Huberti trägt vor.

Manfred Becker-Huberti trägt vor.

Foto: Valeska von Dolega

Auch über das Osterfest weiß Becker-Huberti zu berichten. "Das Häschen kommt erst spät ins Spiel", verweist er auf die Reformation. Das bemalte Ei fußt letztlich aus einer Zeit um 1054 und der orthodoxen Kirche. "Hier übergibt der Pope ein rot gefärbtes Ei", das erinnert an Jesu Grab (kalt und hart) und das Leben - die Farbe Rot symbolisiert dies. "Nach dem Motto: ,Was die können, können wir auch' adaptierten die Protestanten die Idee". Sie ließen farbige Eier im Garten verschwinden und von Kindern suchen.

An dieser Stelle kommen die Tiere ins Spiel. Kranich und Fuchs waren Ostereilieferanten, ehe Meister Lampe dafür requiriert wurde. Der hoppelte übers Feld, verweilte - und diese Pause wurde zum Eierlegen deklariert, "Stadtkindern gegenüber konnte man das behaupten", sagt Becker-Huberti. Parallel wurde Ende des 19. Jahrhunderts sozusagen die Kindheit als eigene Daseinsform entdeckt, das noch immer berühmte Buch "Die Häschenschule" sorgte für "ungeheuere Popularität des Hasen". Inzwischen ist er ein Sinnbild für das höchste christliche Fest, "was falsch ist, denn das ist das Lamm", was Martin Luther noch wusste und was in der Zeile "Christus, du Lamm Gottes" besungen wird.

Farbspiele in rot-weiß oder mit Senf gefüllte Berliner könnten weitere Themen sein. Außerdem gibt es ein paar Exkurse raus aus dem Rheinland, etwa in die Lausitz zum "Plapperwasser". In der Nacht zum Ostersonntag holten die Jungfrauen aus Bächen Wasser. "Das wurde gesegnet, und hatte der Gaul Husten oder humpelte die Oma, bekamen diese davon". Allerdings musste das Wasser stillschweigend geschöpft werden. Also taten die Burschen alles, um den Mädchen wenigstens ein "huch" zu entlocken - das Plapperwasser war entstanden.

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