Grevenbroich Grevenbroicher Fledermausgott auf der Spur

Grevenbroich · Die Universität Bonn stellt aus und verleiht etwa 1000 Exponate des früheren Grevenbroicher Museums. Teile sind in Speyer bei der Maya-Schau, die Mumie "geht" bald nach Südtirol.

Dem Grevenbroicher Fledermausgott auf der Spur
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Faszinierend und rätselhaft sind die größtenteils zu ritualen Zwecken genutzten Objekte aus Altamerika. Verbunden mit vielen Fantasien und Legenden von blutdürstigen Opferpraktiken geben die etwa 11.000 Objekte der Bonner Altamerikasammlung auch heute noch Studenten und Forschern ebenso reichen Nährboden für ihre Arbeiten, wie sie auch immer noch neue Fragen aufwerfen. Alleine 1000 Stücke dieser Studiensammlung der Universität Bonn stammen aus Grevenbroich, genauer von Bodo Schwalm, dem ehemaligen Leiter des Museum Villa Erckens im Stadtpark.

Sowohl den altägyptischen Teil der Sammlung Schwalm mit einigen Hundert Exponaten, als auch den größeren altamerikanischen Teil hat die Stadt Grevenbroich der Universität Bonn als Dauerleihgaben verantwortet. Die größere Bedeutung kommt der altamerikanischen Sammlung Schwalms zu, in deren Mittelpunkt eine Mumie aus Peru steht, die um 1000 bis 1532 nach Christus datiert wird. In Bonn selbst wird sie in den dortigen Ausstellungsräumen allerdings nicht mehr präsentiert: "Aus ethischen Gründen", sagt Sammlungsleiterin und Universitäts-Professorin Karoline Noack. Dennoch werde die Mumie aus der Schwalm-Sammlung immer wieder von Museen angefragt, jüngst aus Südtirol.

Auch andere Stücke, die Schwalm zu seinen Zeiten in Grevenbroich mit fantasievollen Inszenierungen bei Jung und Alt ins Licht zu setzen wusste und seiner Zeit als Museumspädagoge damit weit voraus war, sind bei Museen gefragt. Schwalm selbst staunte nicht schlecht, als er jetzt bei einem Besuch der Maya-Ausstellung in Speyer "gute alte Bekannte" aus seinem altamerikanischen Fundus "wiederfand". Er sagt: "Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass auf diese Weise Tausende von Besuchern meine Funde noch einmal zu Gesicht bekommen."

Ihren Studenten kann Professor Noack anhand der vielen Stücke von Schwalm übrigens besonders gut auch den Unterschied zwischen einer Sammlung und einer "Ansammlung" erläutern. "Ansammlungen" seien mehr durch Zufall zusammengestellte Stücke. Was eine Sammlung ausmache, das sei die wissenschaftliche Auseinandersetzung und Aufarbeitung einer Sammlung, wobei es bei weitem nicht nur um die Echtheitsfrage von Objekten gehe.

Eines der Stücke aus der Schwalm-Sammlung, das jetzt sogar für eine Doktorarbeit untersucht wurde, ist eine Grünsteinfigur von der mexikanischen Golfküste. Ein Doktorand aus Mexiko, der in Paris studiert, hatte in Bonn diese Figur unter dem Mikroskop auf ihre Bearbeitungstechnik hin untersucht. Solche Steinfigurinen werden laut Karoline Noack der olmekischen Mutterkultur zwischen 2500 und 200 vor Christus zugeschrieben.

Die Professorin, die ihren Studenten jedes Semester Praktika in der Altamerikasammlung anbietet, hat auch ein Lieblingsstück aus dem Grevenbroicher Fundus von Bodo Schwalm: Es ist ein kultisches Gefäß mit einem Affen aus der Chimú-Kultur zwischen 850 und 1470 nach Christus aus Peru. Der Affe galt als Schamanentier und stand für die Fruchtbarkeit.

"Tierisch" geht es auch aktuell in einer neuen Ausstellungsvitrine mit Flöten zu, die ab heute mit zwei weiteren neu bestückten Vitrinen in der Dauerausstellung zu sehen ist. Schwalm hat auch Flöten gesammelt und sie zu seinen Grevenbroicher Zeiten gerade für die Kinderführungen durch "sein" Museum in Szene zu setzen gewusst. Zeigt eine dieser aztekischen Flöten aus Sicht von Noack zwar ein Fledermausgesicht, so hatte Schwalm auf der Karteikarte zu diesem Objekt vermerkt: "Micky Maus". So brachte er eben humorvoll und einprägsam den jungen Museumsbesuchern die alten Kunstwerke näher.

Fragen wirft für die Forscher insbesondere ein mehrstöckiges Gefäß aus der Grevenbroich-Sammlung auf, das sogar geröntgt wurde: "So etwas haben wir noch nie gesehen", gibt Karoline Noack zu. Schwalm sagt aber, es sei eine echte Drogenpfeife aus der Chimú-Kultur. Und voller Verwunderung hat die Wissenschaftlerin eine Zeitung aus dem Jahr 1984 in einer Urne gefunden. Dazu sagt Schwalm, er habe das Fundstück mit der Zeitung für den Transport gesichert. Es stelle einen zapotekischen Fledermausgott dar. Und Professor Riese aus Bonn habe die Echtheit bestätigt,

Zu sehen sind in der Ausstellung auch Kopftrophäen-Miniaturen aus der Nasca-Zeit, unter denen die Schale aus dem Schwalm-Fundus mit Abstand die martialischste Abbildung zeigt: Auf das Gefäß wurden zwei Männer gemalt, wobei einer einen Kopf an den Haaren hochhält, während der andere mit einem großen Messer ansetzt, diesen Kopf abzutrennen.

Ausstellung der Bonner Altamerika-Sammlung (BASA), Oxfordstraße 15, dienstags bis donnerstags, 10 bis 16 Uhr. Jeweils zwei Studenten oder wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni Bonn sind für Fragen und Führungen anwesend. Parkmöglichkeiten Oxfordstraße 12 in einer öffentlichen Tiefgarage eines Hotels.

(NGZ)
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