Grevenbroich Lehrer verzweifelt gesucht

Grevenbroich · Vor allem Grundschulen beklagen Lehrermangel. An weiterführenden Schulen sieht es nicht besser aus. Mit Arbeitsgemeinschaften versucht eine Gesamtschule, Unterrichtsausfall zu vermeiden. Ein Überblick.

An vielen Grundschulen herrscht eklatanter Lehrermangel, dafür gibt es zu viele Bewerber an Gymnasien und Gesamtschulen. Folgerichtig wäre, sozusagen umzuschichten und Lehrer von der Sekundarstufe an Grundschulen zu locken, wie es NRW-Schulministerin Gebauer nun tun will. "Es ist ein großer Unterschied, ob jemand dafür ausgebildet ist, Physik in der Sekundarstufe II zu unterrichten, oder sich um Leseanfänger zu kümmern", sagt Ruth Hennen. Sie leitet die Erich-Kästner-Gesamtschule in Elsen. "Alle unsere Klassenlehrer sind für Grundschule ausgebildet Lehrer, die auch das zweite Staatsexamen haben." Allerdings sind derzeit drei Vertreterstellen ausgeschrieben.

"Die Bewerberlage ist gleich null, der Markt ist leer. Da darf man nicht erwarten, dass sich Lehrer mit 2. Staatsexamen bewerben." Das Kollegium besteht aus 32 Lehrern, wovon Ausfälle wegen Elternzeit und Langzeiterkrankung sind, plus zwei Referendaren. Dass trotzdem alles gelehrt werden kann, ist dem Engagement der Lehrer geschuldet. Außerdem konnten zwei bereits pensionierte Ex-Kollegen reaktiviert werden. Sie unterrichten in Teilzeit. Noch drastischer sind die Zustände an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule. In den naturwissenschaftlichen Fächern ebenso wie in Englisch, Musik und Kunst sei der Unterrichtsausfall dramatisch, skizziert Stefan Albert, der stellvertretende Gesamtschulleiter. In Sport oder Bio werden inzwischen Seiteneinsteiger eingesetzt. Damit nicht nur mehr dem Rotstift zum Opfer fällt, sind für die Jahrgänge fünf bis sieben nun Arbeitsgemeinschaften (AGs) eingerichtet worden. Zur Aufsicht der AGs, die den regulären Unterricht nicht adäquat ersetzen, werden Lehrer - ebenso wie Eltern - ehrenamtlich in der Schüleraufsicht tätig.

"Wir verfügen zurzeit über eine Lehrerversorgung, die der Schlüsselzuweisung, also der Schüler-Lehrer-Relation für Realschulen, entspricht", erklärt Anita Piel, die die Diedrich-Uhlhorn-Realschule leitet. "Als Problem können wir dennoch benennen, dass diese Schlüsselzuweisung für die Bewältigung der neuen Aufgaben bei weitem nicht mehr ausreicht", verweist die Schulleiterin auf die Beschulung derjenigen Kinder, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse zugewiesen werden. Deren Unterricht verlangt "zusätzliche Ressourcen, die wir jedoch nicht beziehungsweise in einem völlig unzureichenden Umfang bekommen". Der Unterschied zwischen den einzelnen Schulformen sei eklatant und "benachteiligt die Schulform Realschule in erheblichem Maße". Weil es in Grevenbroich keine Hauptschule mehr gibt, werden an der Realschule auch diejenigen unterrichtet, die keine Realschulempfehlung haben. "Das sorgt für ausgesprochen heterogene Klassen." Um die Schüler differenzierter beim Lernstoff betreuen zu können, bräuchte es mehr Kollegen. "Wir Pädagogen denken an die Schüler und stopfen seit Jahren Löcher", was kein Alleinstellungsmerkmal, sondern eine "schulformübergreifende Not" sei. Bei den Themen Inklusion sowie Migranten als Seiteneinsteiger lässt sich dieser zu niedrige Personalschlüssel verdeutlichen. "Bei Seiteneinsteigern ist nicht die Beschulung das Problem", erklärt Michael Jung, Chef am Erasmus-Gymnasium. Aber nach der zweijährigen Erstförderung müssen die Schüler dann auf die Schulform überwiesen werden, die ihrem Leistungsstandard entspricht. Und da stoßen alle Schulen an Kapazitätsgrenzen.

Der status quo am Erasmus-Gymnasium: "Wir sind in der freudigen Situation, alles unterrichten zu können, wie es der Plan vorsieht." 70 Kollegen und neun Referendare kümmern sich um 950 Gymnasiasten. Gleiches berichtet Manfred Schauf, Schulleiter des Pascal-Gymnasiums. "Alle Fächer werden im Stundenumfang unterrichtet, wie es die Stundentafel vorsieht." Unter den 99 Kollegen für die 1127 Schüler sind derzeit sechs Vertretungslehrer, davon haben vier allerdings noch nicht das 2. Staatsexamen.

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