Grevenbroich Mit Allradantrieb quer durch den Tagebau

Grevenbroich · Lutz Paulus hat gestern seinen "geschenkten Tag" eingelöst und an einer Geländewagen-Fahrschule bei RWE Power teilgenommen.

 Nur nicht die Kontrolle verlieren: Am Steuer ist viel Geschick nötig, um den Geländewagen geradeaus durch den Sand zu manövrieren.

Nur nicht die Kontrolle verlieren: Am Steuer ist viel Geschick nötig, um den Geländewagen geradeaus durch den Sand zu manövrieren.

Foto: christian kandzorra

Ganz langsam tastet sich Lutz Paulus im Geländewagen von oben an den extrem steilen Hang heran. Seine Hände umklammern fest das Lenkrad: volle Konzentration. Dann geht es im ersten Gang ein kurzes Stück bergab. Lutz Paulus tritt schnell auf die Bremse, zieht zusätzlich die Handbremse und macht den Motor aus. Der 60-Jährige wird nur vom Sicherheitsgurt in seinem Sitz gehalten. Ein paar Sekunden später tut er nach einem prüfenden Blick in Richtung des Fahrlehrers Jochem Rauch schließlich genau das, was er mit seinem Privatwagen wohl niemals ausprobiert hätte: Er startet den Motor bei eingelegtem Gang erneut, ohne dabei das Kupplungs- oder das Bremspedal zu treten.

Eigentlich ist das eine Tod-Sünde beim Autofahren. Doch was erst einmal barbarisch klingt und im normalen Straßenverkehr wirklich nicht zur Nachahmung zu empfehlen ist, macht den Geländewagen im RWE-Tagebau Hambach bei Niederzier (Kreis Düren) offenbar nichts aus. Die Wagen rollen sofort mit Standgas den Hang hinab - in gemäßigtem Tempo, ohne zu bocken, ohne nach vorne zu springen und ohne mit Getriebeschaden liegen zu bleiben. "Start ins Getriebe" nennt sich diese Technik, die für Anfänger erst ziemlich gewöhnungsbedürftig sein dürfte. "Das funktioniert längst nicht bei allen Autos", mahnt Jochem Rauch zur Vorsicht. Der Fahrlehrer trainiert seit 18 Jahren die Mitarbeiter der drei großen Braunkohlentagebaue im Rheinischen Revier in Sachen Geländefahrten. Er sagt: "Den Respekt vor dem Gelände darf man nie verlieren." Und Jochem Rauch betont: "Jedes Fahrzeug stößt irgendwann an seine Grenzen."

 Steil bergab geht es an dieser Station im Übungs-Parcours: Schon bei 28 Prozent Gefälle ist Konzentration gefragt.

Steil bergab geht es an dieser Station im Übungs-Parcours: Schon bei 28 Prozent Gefälle ist Konzentration gefragt.

Foto: Kandzorra Christian

Aber eine Offroad-Tour durch den Tagebau hat auf jeden Fall seinen Reiz. Zumindest für alle, die sich für PS-starke Fahrzeuge interessieren und einmal so richtig "Action" erleben wollen. Unser Leser Lutz Paulus hatte gestern als einer der Gewinner bei der NGZ-Aktion "Geschenkter Tag" die Möglichkeit, an der "Geländewagen-Fahrschule" im Tagebau Hambach (der Tagebau deckt fünf Prozent des Strom-Bedarfs in Deutschland) teilzunehmen und dabei mit einem Pick-up durch einen aus 17 Stationen bestehenden Gelände-Parcours zu fahren.

Der Parcours bringt nicht nur die weißen Allrad-Fahrzeuge von RWE Power an ihre Grenzen: Er fordert auch den Fahrern einiges ab. "Mich reizt es, beim Fahren Geschick zu zeigen und das Gelände einzuschätzen", erzählt Lutz Paulus, der vor rund 25 Jahren zuletzt mit seinem Bruder in einem Geländewagen gesessen hatte. "Wir sind in Holland am Strand unterwegs gewesen." Als seine Frau Anfang Januar und damit zum Start ins Schaltjahr 2016 (nur alle vier Jahre gibt es einen 29. Februar) den Aktions-Aufruf gelesen hatte, meldete sie ihren Mann sofort an. "Sie weiß, dass das genau das Richtige für mich ist", erzählt Lutz Paulus und schmunzelt. Allgemein interessiere er sich auch für den Betrieb in den Tagebauen, die die Region seit Jahren prägen.

 NGZ-Leser Lutz Paulus (links) erhielt von Fahrlehrer Jochem Rasch vor der Offroad-Tour eine ausführliche Einweisung.

NGZ-Leser Lutz Paulus (links) erhielt von Fahrlehrer Jochem Rasch vor der Offroad-Tour eine ausführliche Einweisung.

Foto: Kandzorra Christian

Eine Fahrt durch die offene Grube, die in Hambach bis zu 400 Meter tief ist, ist mit Blick auf das kleine Abenteuer in Holland schon eine "ganz andere Hausnummer", wie es Fahrlehrer Jochem Rauch ausdrückt. Er erklärte Paulus und vier weiteren Trainings-Absolventen gestern erst einmal in einem theoretischen Teil, worauf es genau beim Fahren durch Matsch, Schlamm, Sand, Kies und Co. ankommt. Das Wichtigste: vorausschauend fahren. "Viele Fahrer überschätzen ihr Fahrzeug und verlassen sich zu sehr auf die moderne Technik, die darin verbaut ist", sagt der Fahrlehrer, der auch Mitarbeiter des Tagebaus Garzweiler im Offroad-Fahren ausbildet. Weiter sei langsames Fahren im Tagebau angesagt - maximal 30 Kilometer pro Stunde darf der Tacho im Gelände anzeigen. Wer steile Hänge auf- und abfährt, sollte zudem den Allradantrieb und die "Differential-Sperre" einschalten, mit der gleichzeitig das Antiblockiersystem (ABS) der Reifen ausgeschaltet wird. Das System könnte auf der Offroad-Strecke höchstens stören. "Fahrer sollten zudem immer darauf achten, dass sie so im Auto sitzen, dass sie es vernünftig bedienen können", sagt Fahrlehrer Rauch. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit, doch in seinem Berufsalltag erfährt der externe Fahrlehrer immer wieder, dass etwa Sitze falsch eingestellt werden oder Fahrer das Lenkrad falsch festhalten.

Der ehemalige Henkel-Mitarbeiter Lutz Paulus konnte jedenfalls schon im Theorie-Teil der "Geländewagen-Fahrschule" einiges dazulernen. Richtig spannend wurde es allerdings erst, als es tatsächlich "auf die Piste" ging - nämlich in den abgesperrten Bereich, auf dem Fahrer ungestört testen können, wo ihre Grenzen liegen. "Solche Gelendewagen-Trainings finden rund zehnmal pro Jahr statt. Dabei werden zwischen 50 und 120 unserer Mitarbeiter und die unserer Partnerfirmen ausgebildet", erzählt RWE-Sprecher Guido Steffen, der sich gestern ebenfalls zum ersten Mal auf die Schul-Strecke wagte.

So wirklich Angst hatten die Fahrer im Gelände übrigens nicht - Respekt trifft es da wohl eher. "Mir hat es sehr viel Spaß gemacht. Ich kann es weiterempfehlen", sagt Lutz Paulus, der gestern am liebsten durch den Sand gefahren ist. "Dabei musste ich darauf achten, das Lenkrad gerade zu halten. Der Wagen hat sich seinen Weg dann quasi selbst gesucht." Beweisen konnte er sein Geschick später auch auf der "Hubbel-Piste" und bei der Fahrt durch ein Schlamm-Loch - ehe es zum "Finale" mit den Autos in die bitter nötige Waschstraße ging.

(cka)
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