Grevenbroich Museum erinnert an jüdische Soldaten

Grevenbroich · Im Rahmen der Weltkriegs-Ausstellung im Museum erinnert Ulrich Herlitz vom Geschichtsverein an das Schicksal der jüdischen Frontkämpfer. Deren Namen sind auch heute noch auf vielen Denkmälern im Heimatgebiet zu finden.

 Karl Winter (2.v.l.) mit Kameraden 1914. Dreißig Jahre später wurde der Schneider aus Hemmerden im KZ Riga-Kaiserwald ermordet.

Karl Winter (2.v.l.) mit Kameraden 1914. Dreißig Jahre später wurde der Schneider aus Hemmerden im KZ Riga-Kaiserwald ermordet.

Foto: Familie Winter-Stern

Im Museum der niederrheinischen Seele macht Ulrich Herlitz vom Geschichtsverein derzeit auf das Schicksal jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg aufmerksam. Was vielen unbekannt ist: Auf den Denkmälern im Heimatgebiet sind auch die Namen vieler jüdischer Frontkämpfer zu lesen, die auf den Schlachtfeldern fielen. In Frimmersdorf wird etwa an Samuel Lion erinnert, in Gustorf an Siegmund Baum, in Hemmerden an Norbert Winter, in der Stadtmitte an Otto Hertz. "Insgesamt sind von den mehr als 100 000 deutschen Soldaten jüdischen Glaubens über 12 000 gefallen", berichtet Herlitz.

Als Kaiser Wilhelm im August 1914 zu den Waffen rief, keine Parteien oder Konfessionen, sondern nur noch "Deutsche" kannte, folgten ihm viele Menschen jüdischen Glaubens aus Überzeugung, wie es der Kriegsaufruf des Reichsvereins der deutschen Juden und der Zionistischen Vereinigung für Deutschland belegt. "Auch in der Grevenbroicher Synagoge wurden Bittgottesdienste für das Vaterland abgehalten, es wurden Liebesgaben für Soldaten gesammelt", sagt Herlitz.

Als Juden wie der Lehrer und Kantor Hermann Löwenstein, der Kaufmann Karl Winter aus Hemmerden, Benny Vasen aus Hülchrath, Julius Katz aus Wevelinghoven oder Julius Stern aus Geseke, der 1918 die Grevenbroicherin Martha Goldstein heiratete, in den Ersten Weltkrieg zogen, ahnten sie nicht, dass ihr Land ihnen dies später nicht danken sollte. "Auch gegenüber jüdischen Frontkämpfern kannte das nationalsozialistische Deutschland letztlich keine Gnade, auch wenn sie zunächst von einigen antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen verschont blieben", sagt Herlitz: "Das war auch eine perfide Methode, Gegner der Judenverfolgung ebenso wie deutsche Juden zu täuschen."

In der Pogromnacht des 9. Novembers 1938 wurden in Grevenbroich und Hemmerden die Synagogen geschändet. Noch in der Nacht wurden deutsche Juden, unter ihnen viele ehemalige Frontkämpfer, verhaftet und am 16. November in das KZ Dachau überführt. "Unter ihnen war auch Julius Stern, der nur deshalb entlassen wurde, weil er das Eiserne Kreuz verliehen bekommen hatte und seine Emigrationsabsichten in die USA glaubhaft machen konnte", berichtet Ulrich Herlitz.

Nur wer wie Julius Stern mit seiner Familie emigrieren konnte, wurde unter Umständen gerettet. Der Holocaust führte schließlich zur Vernichtung des deutschen und europäischen Judentums. Sterns Schwiegereltern, Lazarus und Julie Goldstein, und die Schwägerin Hedwig Goldstein wurden im Juli 1942 als letzte Grevenbroicher Juden in das KZ Theresienstadt deportiert und keine drei Monate später im Vernichtungslager Treblinka ermordet. "Auch in den Ghettos wurden Frontkämpfer vereinzelt von der weiteren Deportation in die Vernichtungslager zunächst zurück gestellt. Doch entkommen konnten auch sie dem Holocaust nicht", erklärt Ulrich Herlitz.

Karl Winter aus Hemmerden wurde 1941 in Riga eingeliefert und überlebte zunächst als Arbeitssklave. Als das KZ Riga-Kaiserwald im Juli 1944 aufgelöst werden sollte, geriet er in die Fänge des berüchtigten Lagerarztes Dr. Eberhard Krebsbach. Angesprochen auf seine Weltkriegswunden am Bein und der Antwort Karl Winters, er sei Frontkämpfer gewesen, wurde er von Krebsbach mit den Worten "Was, Du feiger Judenlümmel willst im Krieg gewesen sein - weg mit Dir" selektiert und ermordet.

(NGZ)
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