Geschichtsverein feiert Jubiläum/Professor verblüffte Zuhörer Nibelungen-Spurensuche mit Spekulation

Geschichtsverein feiert Jubiläum/Professor verblüffte Zuhörer · Wie richtig die Gründung des Geschichtsvereins Grevenbroich vor 25 Jahren war, zeigte sich am Samstag Abend: Rund 150 Menschen drängten sich im Bernardussaal, um bei der Festveranstaltung zum Jubiläum dabei zu sein. Darüber hinaus lockte der Name Hans Georg Kirchhoff zum Thema: "Nibelungen und Burgunden am Niederrhein".

Der emeritierte Geschichtsprofessor der Universität Dortmund kann wie kaum ein anderer Geschichte lebendig werden lassen, stellt unvermutete Zusammenhänge her, indem er nicht nur das mittelhochdeutsche Nibelungenlied, sondern auch die skandinavische Thidrekssaga (Dietrichsaga) mit der in ihr genannten Orts- und Personennamen durchleuchtet. Und er kommt anhand von Sprachforschung und Eingrenzung des Zeitpunktes der mündlichen Erzählungen zu dem Ergebnis, dass die Nibelungen durchaus am Niederrhein gelebt haben könnten.

Beide Epen berichten über die Tragödie von Siegfrieds Ermordung und Kriemhilds Rache, aber sie finden an unterschiedlichen Schauplätzen statt. Im Nibelungenlied ist Worms der Königssitz, wo der Zug angeblich über den Rhein an die Donau und von dort aus nach Ungarn führte. In der Dietrichsaga Soest. Dort wird auch nicht von einem Hunnenkönig namens Attila gesprochen, sondern von einem Hunenkönig, der Attala hieß. Außerdem verwendet die Saga den Namen "Niflungen", wobei es sich um Menschen handeln könnte, die an der Neffel, einem Nebenflüsschen der Erft, das in der Nähe von Zülpich entspringt, gelebt haben.

Und da jeder weiß, dass die Donau nicht in den Rhein fließt, hat ein Forscher namens Heinz Ritter-Schaumburg 1981 festgestellt, dass mit dem Fluss Dunau auch nicht die Donau gemeint sein muss, sondern die Dhünn beim Kloster Altenberg. Und die floss bis 1840 tatsächlich in den Rhein, ehe sie in die Wupper umgeleitet wurde. Somit handelt es sich um eine Vermischung zweier Sagen. Professor Kirchhoffs Vortrag wurde immer spannender, indem er weiter und weiter in die Welt der Sagen und die Zeit der Völkerwanderung im 500 Jahrhundert eindrang.

Die Burgunden wurden nach dem Historiker Olympiodor, der in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts lebte, in einer mörderischen Schlacht 436/437 besiegt, die Übriggebliebenen siedelten nach Savoyen um, wo bald ein zweites mächtiges Reich mit der Hauptstadt Lyon entstand. Wo aber lag des erste? Olympiodor nennt den Ort der Kaiserproklamation Moundiakon in der Provinz Niedergermanien. "Nun dachte man immer, aus Mundiacum sei Mainz geworden, womit die Nähe zu Worms gemeint sein könnte, bis der Kölner Medizinprofessor Reiner Müller 1924 herausfand, dass Mundiacum Mündt heißen könnte", erklärte Kirchhoff. Denn es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass in Worms ein Burgunderreich gewesen sein könnte, wohl aber dass die Niflungen in Mündt bei Jackerath gelebt haben könnten.

Mündt, ein Ort, an dem nur noch zehn Menschen leben, kann seine Geschichte bis ins vierte Jahrhundert zurückverfolgen. Aber das ist nur eine von vielen Indizien. Während des 90-minütigen Vortrags von Professor Kirchhoff, der in den 60er Jahren in Noithausen gelebt hat, herrschte atemlose Stille. Dann begeisterter Beifall. Dr. Friedrich Schmitz, Vorsitzender des Vereins, hatte sich nicht zuviel von Kirchhoffs Korrektur der Ritter'schen These versprochen. Schatzmeister Achim Kühnel sprach denn auch von einer "Spurensuche mit fundierter Spekulation". Ehrengast Theo Hoer meinte, er habe nichts dagegen, wenn der Nibelungenschatz am Niederrhein gefunden würde. Außerdem würdigte er die Arbeit des Vereins mit den Worten: "Der Geschichtsverein gibt die Möglichkeit, die Geschichte aufzublättern, daraus Schlüsse zu ziehen und Identität zu schaffen." M.H-L

(NGZ)
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