Grevenbroich Politiker sehen bei der Inklusion noch reichlich Handlungsbedarf

Grevenbroich · Wir weit ist die Inklusion im Rhein-Kreis Neuss - um diese Frage ging es gestern bei einer Tagung mit rund 140 Teilnehmern aus Politik, Verbänden und Einrichtungen in Grevenbroich. Dabei wurde deutlich: Es gibt noch viel zu tun. 2014 hatte der Kreistag das "Kreisentwicklungskonzept Inklusion" auf den Weg gebracht, nach zwei Jahren ist Zeit für eine Zwischenbilanz. In 44 Punkten hatte der Kreis Zielvorstellungen und heutigen Sachstand gegenübergestellt. So wurde 2015 das Inklusionsbüro im Kreishaus Neuss eröffnet. Die Zahl der "inklusiv beschulten" Schüler hat sich auf 992 zum Beginn dieses Schuljahres erhöht, 42 Prozent der Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf lernen an allgemeinbildenden Schulen.

 Zur Tagung gehörte auch eine Podiumsdiskussion mit Politikern.

Zur Tagung gehörte auch eine Podiumsdiskussion mit Politikern.

Foto: Lber

In der Diskussion mit Kreispolitikern betonte Landrat Hans-Jürgen Petrauschke: "Wir haben das Thema Inklusion angepackt, fertig sind wir nicht." Zahlreiche Baustellen, für die längst nicht nur der Kreis zuständig ist, nannten die Politiker in der von Dezernent Tillmann Lonnes moderierten Diskussion. Dieter Welsink (CDU) war überrascht und begeistert, "dass bei der Tagung Maßnahmen und Projekte für alle Lebensbereiche angesprochen wurden." Bei der Podiumsdiskussion ging es jedoch immer wieder um Schule. Eindringlich warnte Carsten Thiel (UWG): "Es darf nicht sein, dass über Vorgaben des Landes für Schülerzahlen Förderschulen in Gefahr geraten." Müssten Förderschulen geschlossen werden, "haben Eltern, wenn ihr Kind nicht weit fahren soll, keine echte Wahlfreiheit mehr, ob sie das Kind auf eine Förder oder eine andere Schule schicken. Der Kreis muss ein Signal setzen, dem Land die Zähne zeigen", so Thiel. "Wir werden uns für den Erhalt der Förderschulen einsetzen", betonte Welsink. Er fordert für die Anstrengungen zur Inklusion mehr finanzielle Unterstützung des Landes. "Die Höhe der Mittel, die das land zur Verfügung stellt, ist peinlich", sagte Kirsten Eickler (Die Linke). Gertrud Servos (SPD) wäre es am liebsten, "wenn alle unsere Schulen so wie Förderschulen ausgestattet würden - mit kleineren Klassen und je zwei Pädagogen. Dann wäre Entscheidung über die zu besuchende Schule gar nicht nötig", so die SPD-Politikerin, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. Martin Kresse (Bündnis 90/Die Grünen) vermisste aber bei der Tagung, "dass Vertreter der Betroffenen selbst hier sprechen. Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie muss im Dialog mit den Menschen mit Beeinträchtigung realisiert werden."

Kresse erntete Kritik, in Workshops zum Konzept seien Menschen mit Handicap dabei gewesen. "Wir sollten aber überlegen, sie stärker einzubeziehen", sagte Lonnes. Dirk Rosellen (FDP) appellierte, "nicht schlecht zu reden, was wir auf den Weg gebracht haben".

Gertrud Servos forderte zudem eine "volkswirtschaftliche" Betrachtung des Themas - über die Kosten hinaus. "Wir sollten mal gegenrechnen, wie viele Arbeitsplätze - etwa für Pädagogen und Therapeuten - geschaffen werden."

(NGZ)
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