Eberhard Uhlig "Strukturwandel wird Herkulesaufgabe"

Grevenbroich · Der Grevenbroicher Eberhard Uhlig ist Leiter der Sparte Braunkohlekraftwerke der RWE Power. Beim Talk auf dem blauen NGZ-Sofa spricht er mit Redaktionsleiter Ludger Baten über Energiewende, Versorgungssicherheit und den Strukturwandel.

 Eberhard Uhlig (l.) im Gespräch mit Ludger Baten: Ein Braunkohle-Ausstieg "bereits um 2028 oder 2035 ist inakzeptabel".

Eberhard Uhlig (l.) im Gespräch mit Ludger Baten: Ein Braunkohle-Ausstieg "bereits um 2028 oder 2035 ist inakzeptabel".

Foto: ATI

Herr Dr. Uhlig, wenn man nach Grevenbroich kommt, fallen sofort die Braunkohlekraftwerke auf. Was gefällt Ihnen besser in der Landschaft, Windräder oder Kraftwerksblöcke?

Eberhard Uhlig Das ist Geschmackssache. Wenn ich aber bedenke, dass hier circa 20.000 Windkraftanlagen der Zwei-MW-Klasse stehen müssten, um die Stromerzeugung unserer Braunkohlekraftwerke zu ersetzen, dann gefallen mir die Braunkohlekraftwerke besser.

Wie lange wird in der Region noch Braunkohle verstromt?

Uhlig Die Rahmenbedingungen dafür setzt die Politik. Danach werden wir bei heutigem Einsatz der Kohlen im Tagebau Inden die Lagerstätte etwa 2030 ausgekohlt haben. In Garzweiler reichen die genehmigten Ressourcen bis weit in die 40er Jahre und in Hambach bis Mitte dieses Jahrhunderts. Ob es dann weitere Genehmigungen für Strom aus Braunkohle gibt, müssen spätere Politikergenerationen entscheiden.

Das klingt, als wäre ihr Vertrauen in die Bundesregierung gesunken.

Uhlig Die Energiewende ist eine politische Entscheidung, dem hat RWE Power zu folgen. Das Problem ist, dass die Energiewende auf die Erneuerbaren setzt, die nicht sicher verfügbar sind. Gerade wenn der Strombedarf am größten ist, ist es bitterkalt, und es herrscht eine Hochdruckwetterlage. Das heißt, es gibt keinen Wind. Wenn es vorher geschneit hat, haben wir über Wochen so gut wie keinen Strom aus Sonne und Windkraftanlagen. Eine sichere Energieversorgung ist aber Basis jeder Volkswirtschaft.

Kann Deutschland allein mit der Energiewende viel ausrichten?

Uhlig Weltweit herrscht ein riesiger Hunger nach Energie. Wir brauchen jede Energie, die wirtschaftlich, sozial verträglich und ökologisch verfügbar ist. Eine Konsequenz dieser Situation sind die Treibhausgasemissionen, die von 1990 bis 2015 weltweit um über 50 Prozent gestiegen sind. Deutschland hat hieran einen Anteil von zwei Prozent und spielt mit seinen Sparbemühungen in der Entwicklung des Weltklimas eine unbedeutende Rolle. Klimaschutz in Deutschland hat nur einen Effekt, wenn wir international mit unserer Energiewende ein Vorbild bieten. Davon sind wir aber unter anderem aufgrund der hohen Kosten der Energiewende weit entfernt.

Es gibt in der Stromversorgung drei Zielbereiche: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz. Sind diese Ziele gleichwertig?

Uhlig Die Zielbereiche müssten gleichwertig betrachtet werden, wenn wir damit nachhaltig Erfolg haben wollen. Zurzeit entsteht aber der Eindruck, dass bei den politischen Entscheidungen, wie zum Beispiel dem Klimaschutzplan, der Umweltschutz einseitig Vorrang hat. Wir investieren Milliarden in Photovoltaik, Wind und Stromtrassen. Die Frage ist, wie lange sich unsere Volkswirtschaft solche Beträge leisten kann und ob wir damit ein Vorbild für andere sein können.

Bei uns wird über den Konverter-Standort diskutiert. Haben Sie für diese Diskussion Verständnis?

Uhlig Begrenzt. Kommunen sollten dankbar sein, wenn sie ein solches Investment bekommen können.

Wie sieht es mit Gesundheitsgefahren aus?

Uhlig Sie können davon ausgehen, dass ein solches Projekt nicht genehmigt würde, wenn eine Gesundheitsgefahr bestehen würde.

Laut den Zielen der Bundesregierung soll der Bruttostromverbrauch in Deutschland bis 2050 um 25 Prozent gegenüber 2010 gesenkt werden und 20 Prozent des benötigten Stroms dann importiert werden. Halten Sie diese Zahlen für realistisch?

Uhlig Der Strombedarf ist in Deutschland seit 2010 weiter gestiegen, und Themen wie Elektromobilität lassen einen weiteren Anstieg erwarten. Ich sehe auch kein Land, das sich aufmacht, eine Infrastruktur zu schaffen, um Deutschland mit Strom zu versorgen.

Solche Widersprüche müssten auch in Berlin bekannt sein.

Uhlig Ja, aber es ist eine Frage der Botschaft. Die Politik will die regenerativen Energien unterstützen. Da passt eine Aussage, dass die Grundlagen für das Zielkonzept der Energiewende nicht haltbar sind, nicht ins Bild. RWE unterstützt die Energiewende sowohl mit Innogy wie auch mit allen Unternehmen der AG. Wir dürfen aber nicht aus der Atomkraft und der Kohle zugleich aussteigen. Deutschland würde dann über 50 Prozent seiner heutigen Stromversorgungsbasis verlieren. Solange es keine Möglichkeit gibt, Strom in großem Umfang zu speichern, würde damit die Versorgung von Deutschland mit Strom in Frage gestellt. Wir sind gut beraten, keine weiteren Diskussionen über Terminsetzungen für fossile Energien zu führen, sondern erst einmal zu sehen, wie Deutschland den Kernenergieausstieg verkraftet.

Was bleibt von RWE Power in 30 bis 50 Jahren?

Uhlig RWE passt sich der Marktsituation an. Wir fahren die Tagebaue schrittweise herunter, haben Millionen in die Flexibilisierung der Kraftwerke investiert. Wir haben uns auf die Herausforderungen der Energiewende eingestellt - die Frage ist, wie sich die Region darauf einstellt. Bis 2030 wird die Stromerzeugung im Revier um 40 bis 50 Prozent reduziert, damit ist ein Arbeitsplatzabbau verbunden. Zudem werden aus dem Revier zurzeit Aufträge in Höhe von jährlich 2,7 Milliarden Euro, davon 800 Millionen in die Region, vergeben. Der Strukturwandel, das sehe ich auch als Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung, wird eine Herkulesaufgabe. RWE unterstützt diesen Prozess, so lange wir können.

CARSTEN SOMMERFELD FASSTE DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN

(NGZ)
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