Historische Bilder aus Grevbenbroich Tollkühne Männer in ihren rollenden Kisten

Grevenbroich · Dieter Hermanns (74) war vor 60 Jahren ein erfolgreicher Seifenkistenfahrer. Seinen Renner von 1957 hütet der Grevenbroicher auch heute noch wie einen Schatz.

Seifenkistenrennen vor 60 Jahren - Fotos aus Dieter Hermanns Album
17 Bilder

Seifenkistenrennen vor 60 Jahren - Fotos aus Dieter Hermanns Album

17 Bilder
Foto: Piel

Sechzig Jahre liegt das alles nun schon zurück. Doch die Erinnerung daran ist noch sehr lebendig. Und zwar so, als wäre es erst gestern gewesen, als Dieter Hermanns mit seinem Flitzer die Rennstrecke am Duisburger Uhlenhorst herunter sauste und sich unter dem Jubel vieler Zuschauer beim Deutschen Seifenkisten-Derby den Titel des Vize-Bundesmeisters holte.

Den Wagen mit der Startnummer 23 hütet er auch heute noch wie einen Schatz. Er steht - liebevoll eingepackt - auf dem Dachboden über seiner Garage. "Der ist noch so gut wie neu", meint der 74-Jährige.

Seifenkisten-Rennen schwappten nach dem Zweiten Weltkrieg mit amerikanischen Soldaten über den großen Teich. Die Opel AG in Rüsselsheim förderte diesen jungen Sport und veranstaltete in den 50er Jahren bundesweite Derbys.

"Das waren Großveranstaltungen, die massenhaft Menschen anzogen", erinnert sich der Grevenbroicher. Dass auch er am Grand-Prix-Zirkus teilnehmen durfte - worum ihn andere Jungs ganz sicher beneideten -, hatte Hermanns seinem Onkel zu verdanken, der in Schlossstadt eine Opel-Vertretung unterhielt.

 Dieter Hermanns holte vor 60 Jahren beim Deutschen Seifenkisten-Derby den Titel des Vize-Bundesmeisters.

Dieter Hermanns holte vor 60 Jahren beim Deutschen Seifenkisten-Derby den Titel des Vize-Bundesmeisters.

Foto: Piel

"Räder und Achsen bekamen wir aus Rüsselsheim geliefert. Der windschnittige Aufbau wurde in der Werkstatt von Siebens Pitter angefertigt - dort haben wir damals richtig getüftelt", berichtet Dieter Hermanns.

Dass in der Werkstatt auch eine Drehbank stand, war für ihn ein unschlagbarer Vorteil: "Auf ihr ließen wir Tag und Nacht die Räder laufen, um die Kugellager zu tunen - damit die Kiste schneller als andere wird", sagt der 74-Jährige. Trainiert wurde auf dem Welchenberg bei Neuenhausen. Dafür gab's in der Schule auch schon mal die eine oder andere Stunde früher frei. "Die Lehrer hatten dafür Verständnis", sagt der Grevenbroicher.

Der junge Dieter Hermanns war ein erfolgreicher Fahrer. Beim Derby in Krefeld fuhr er als Erster durchs Ziel, wurde Niederrhein-Meister und holte sich damit das Ticket für die Bundesmeisterschaft in Duisburg. "Dort wurden wir empfangen wie die Formel-1-Stars", erinnert sich Hermanns lächelnd.

 Seinen Seifenkisten-Rennwagen mit der Startnummer 23 hat Dieter Hermanns bis heute erhalten.

Seinen Seifenkisten-Rennwagen mit der Startnummer 23 hat Dieter Hermanns bis heute erhalten.

Foto: Piel

In der Tat wurden die 108 Jungen aus ganz Deutschland im Ruhrpott geradezu verwöhnt: Acht Tage lang wurden sie in der Sportschule Wedau untergebracht, von dort aus ging's ins nahe gelegene Strandbad oder zu den Elefanten in den Zoo. Und sogar ein Rundflug mit einem gewaltigen Sikorsky-Hubschrauber stand für die Fahrer auf dem Programm. "Das waren schöne Zeiten, damals im Juni 1957", schwärmt Dieter Hermanns. Sein Vater Franz hat viele Erlebnisse seines Filius' mit dem Fotoapparat festgehalten - auch diese Erinnerungen hat der 74-Jährige bis heute aufbewahrt.

113,5 Kilogramm durfte eine Seifenkiste mit Fahrer höchstens wiegen. Vor dem Start wurden die kleinen Autos von einem Ingenieur-Team penibel überprüft. "Mit bis zu 90 Sachen schossen wir die Strecke hinunter - das war ganz schön aufregend", berichtet Dieter Hermanns. Die Rennmontur bekamen die jungen Fahrer von Opel gestellt: Trikot-Hemd, kurze Hose und Eierschalen-Helm.

Nach dem Einmarsch der Starter nach Olympia-Art ging es auf die Strecke, dort wurde verbissen um den Sieg gekämpft. Was Dieter Hermanns noch heute ein kleines bisschen ärgert: "Ich habe ,nur' den zweiten Platz geholt - und damit knapp die Qualifikation für das ,All American Soap Box Derby' im US-Bundesstaat Ohio verpasst."

Nach seiner Seifenkisten-Karriere hätte der Grevenbroicher noch gerne im Motorsport weitergemacht. "Doch die Mutter wollte nicht", sagt Dieter Hermanns. Die Faszination fürs Auto ist aber bis heute geblieben. Von zwei Jahren gehörte der 74-Jährige zu den "Motoren", die das GV-Kennzeichen auf die Nummernschilder zurückholten.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort