Grevenbroich Trotz schwerer Krankheit ein Talent auf dem Motocross-Bike

Grevenbroich · Selbst Formel-1-Pilot Kimi Räikkönen ist begeistert von Alessandro Holl (9) aus Wevelinghoven.

Alessandro Holl ist eine Kämpfernatur. In seinen neun Lebensjahren ist der kleine Wevelinghovener dem Tod schon mehr als einmal von der Schippe gesprungen - doch den Mut hat er nie verloren. Obwohl immer noch beeinträchtigt, betreibt Alessandro eine der härtesten Sportarten der Welt: Er ist ein begeisterter und darüber hinaus auch erfolgreicher Motocross-Fahrer.

Im Oktober 2007 erblickte Alessandro Holl in der Düsseldorfer Uni-Klinik das Licht der Welt - als Extremfrühchen in der 29. Schwangerschaftswoche, mit einem Gewicht von nur 1000 Gramm. Nach anfänglich guter Entwicklung kam es wenige Monate später, am Nikolaustag, zu lebensbedrohlichen Rückschlägen. Ausgelöst durch eine Sepsis, versagten Herz und Kreislauf komplett. Vier Stunden kämpften die Ärzte mit Reanimationsmaßnahmen um das Leben des kleinen Erdenbürgers, dann folgte eine Notoperation.

"Dass Alessandro damals überlebte, war dem glücklichen Umstand geschuldet, dass er sich gerade in der Uni-Klinik befand und somit ärztliche Maßnahmen ohne Zeitverzögerung vorgenommen werden konnten", sagt Vater Uwe Holl. An Silvester 2007 kam es dann erneut zu lebensbedrohlichen Situationen, wieder musste eine Notoperation durchgeführt werden, und wieder gewann der kleine Mann den Kampf gegen den Tod.

Der schwere Start ins Leben hat Folgen. Alessandro muss bis heute einmal wöchentlich zu Krankengymnastik und Physiotherapie. Dort wird seine Linksasymmetrie behandelt. Er musste lernen, die linken Extremitäten, aber auch das linke Auge bewusst zu nutzen. Denn sein Sehvermögen betrug anfangs auf dem linken Auge nur 40 Prozent. Im räumlichen Sehen ist der Junge stark eingeschränkt.

Trotz denkbar ungünstiger Voraussetzungen entschied sich der Wevelinghovener bereits mit dreieinhalb Jahren den Motocross-Sport zu betreiben - er eiferte damit seinem großen Bruder und dem Papa nach. "Er wollte unbedingt auch auf einem Bike durchs Gelände fahren", sagt Uwe Holl.

Inzwischen gehört Alessandro dem Team der "MX-Schule Grevenbroich", Deutschlands größter Motocross-Schule an, und wird von Veteranenweltmeister Jürgen Küppers persönlich trainiert und gefördert. "Technisch bringt Alessandro sehr viel Potenzial mit, das es nun auszubauen gilt", meint der Coach: "Wenn er auf dem Bike sitzt, sieht man ihm nicht an, dass er es deutlich schwerer hat als andere Kinder." Seit einigen Jahren ist Alessandro regelmäßig zu Gast bei Formel-1-Haudegen Kimi Räikkönen, der einen eigenen Motocross-Stall mit dem Namen "Ice one Husqvarna Factory-Team" unterhält und Spitzenfahrer wie Max Nagel am Start hat. Insbesondere Teamchef Antti Pyrhönen nimmt sich viel Zeit, wenn der kleine Nachwuchsfahrer mit Fragen und Problemen kommt.

Trotz eines weiteren, schwerwiegenden medizinischen Eingriffs holte Alessandro Holl im vergangenen Jahr in der 50-Kubikzentimeter-Klasse seinen ersten Meistertitel. Im MX-Cup - einer Rennserie des ADAC Nordrhein für den Amateur-Motocross-Sport - wurde er als Gastfahrer auf Anhieb Siebter. Mit gerade mal acht Jahren wechselte der Wevelinghovener Anfang 2016 in die nächst höhere Klasse bis 65 Kubikzentimeter. Vor einer Woche stand er bei der Meisterfeier des Motorsportclubs Grevenbroich ganz oben auf dem Treppchen.

"Auch wenn mir vielleicht manche Dinge schwerer fallen als anderen Kindern, werde ich meinen Sport weiterbetreiben", sagt Alessandro Holl: "Und zwar so lange, bis ich in einem Alter bin, in dem das nicht mehr geht." Und für den Neunjährigen steht fest: "Wenn ich einmal älter bin, dann möchte ich Motocross-Trainer werden."

Im kommenden Jahr wird Alessandro Holl den gesamten MX-Cup mitfahren. Mit den Vorbereitungen für dieses Rennsportereignis hat der Drittklässler der Kastanien-Grundschule in Hoeningen schon begonnen. Das heißt: zwei bis drei Mal wöchentlich Training auf dem Bike - und viel Joggen. Vater Uwe Holl ist mächtig stolz auf seinen Filius - und er meint: "Die Geschichte meines Sohnes hat meinen Blick aufs Leben verändert. Momente, die für andere selbstverständlich sind, genieße ich mit mehr Glücksgefühl." Dass Alessandro sein Schicksal gemeistert hat, tut er gerne kund: "Vielleicht macht das anderen Mut, die in einer ähnlichen Situation sind."

(NGZ)
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