Analyse Bürgermeisterwahl hat großes Gewicht

Haan · Mit dem "unverbrauchten Gesicht" von Bettina Warnecke will die Haaner CDU Wechselstimmung erzeugen. Ganz offen wird nun Kritik am Amtsinhaber geübt. Dabei gilt: Wer die CDU-Kandidatin wählt, verhilft den bürgerlichen Fraktionen zur Ratsmehrheit.

Standing Ovations für die Bürgermeister-Kandidatin und strahlende Gesichter nach der Wahl: "Wechselstimmung" will die CDU mit Dr. Bettina Warnecke erzeugen. Die 41-Jährige wurde am Dienstagabend bei neun Nein-Stimmen mit 55 Ja-Stimmen zur Bürgermeisterkandidatin gewählt. Sie bringt viele überzeugende Eigenschaften mit: Eine offene und freundliche Art, sicheres Auftreten, Sachkompetenz und Sinn für Familie. Zugleich aber ist sie politisch unerfahren und lebt - das mögen ihr einige in bergischer Denke als Nachteil auslegen - noch nicht lange in Haan. Dass sie auch als CDU-Kandidatin parteilos geblieben ist, sieht sie als Vorteil, weil sie so womöglich leichter Mehrheiten im Rat gewinnen könne, sagt sie.

Warnecke ist in Kiel geboren und hat Rechtswissenschaften studiert. Die Schwerpunkte lagen auf Kommunal- und Beamtenrecht sowie Verwaltungswissenschaften. Zurzeit arbeitet sie als Chefredakteurin im Presse- und Informationszentrum des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln. Seit 2009 lebt Bettina Warnecke mit ihrer Familie im Gruitener Ortsteil Hasenhaus. Zur Familie gehören fünf Jahre alte Zwillingsbrüder, ein zweijähriger Sohn und Ehemann Dirk, (42), Referatsleiter im Finanzministerium NRW. Er arbeitet in Teilzeit.

"Seit knapp fünf Jahren verfolge ich unsere Kommunalpolitik mit wachsendem Interesse", sagte Warnecke in ihrer Bewerbungsrede. Sie beklagte den hohen Schuldenstand der Stadt, obwohl die ortsansässigen Unternehmen innovativ und die Bürger einkommensstark seien. "Ich frage mich: Welches Unternehmen wird sich in Haan ansiedeln, wenn die Stadt die Hebesätze für Gewerbesteuern so spürbar anhebt?", sagte sie. Zugleich sei die Verwaltung Sparvorschläge schuldig geblieben. Sie dennoch einzufordern, sei "Führungsaufgabe", sagte Warnecke. Dieselben Worte hatte auch FDP-Fraktionschef Michael Ruppert am Dienstagmorgen gewählt, als er in einem Pressegespräch den aktuellen Haushaltsplanentwurf kritisierte. Das zeigt: Die bürgerlichen Fraktionen üben nun offen Kritik am Amtsinhaber. Sie sehen Zeit "für einen Generationenwechsel" an der Verwaltungsspitze, wie CDU-Parteichef Wolfram Lohmar forderte - auch wenn er kurz darauf betonte, dass die Wahl eines eigenen Kandidaten "kein Statement gegen den Amtsinhaber" sei.

Dazu muss man wissen, dass auch der parteilose Knut vom Bovert zu den möglichen Bürgermeisterkandidaten zählte, mit denen die CDU in den vergangenen Monaten gesprochen hat.

Vom Bovert aber wurde - anders als heute Dr. Bettina Warnecke - im Jahr 2004 nicht von der CDU aufgestellt, sondern hatte eigenständig seinen Hut in den Ring geworfen und den damaligen CDU-Kandidaten aus dem Rennen gekickt. Das ist ein großer Unterschied, denn der Schulterschluss zwischen der parteilosen Warnecke und der CDU wäre künftig größer, als er es zurzeit zwischen dem ebenfalls parteilosen Amtsinhaber und den bürgerlichen Fraktionen ist.

Zur Erinnerung: SPD, GAL und WLH haben im Rat zurzeit 19 Stimmen - also genauso viele, wie es sie die stärkste Fraktion im Rat, CDU, gemeinsam mit FDP, AfD und UWG hat. Das heißt, in Abstimmungen ist die Bürgermeisterstimme das Zünglein an der Waage. Damit hat die Wahl großes Gewicht.

Wechselstimmung an der Verwaltungsspitze kann die CDU-Kandidatin mit dem "unverbrauchten Gesicht" daher durchaus versprechen. Wechselstimmung im Rat indes nicht: Wer die CDU-Kandidatin wählt, verhilft den bürgerlichen Fraktionen erneut zur Ratsmehrheit. Das wird im Laufe der Diskussion um Schulstruktur und Gesamtschule noch von großer Bedeutung sein.

(RP)
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