Haan Haanerin lebte ein Jahr im Heiligen Land

Haan · Sonja Steiger hat als Volontärin in einem SOS-Kinderdorf in Bethlehem gearbeitet und berichtet von ihren Eindrücken.

Es ist das Land, in dem die Geschichten der Bibel spielen und für viele Israelis noch immer das gelobte, von Gott verheißene Land. Es ist aber auch ein Schauplatz, an dem zwei grundverschiedene Kulturen unmittelbar aufeinander prallen. "Es lässt sich nicht sagen, wer im Recht und wer im Unrecht ist, da es so viele Grauschattierungen gibt, zwischen denen die Menschen sich dort bewegen", sagt Sonja Steiger.

Die Haanerin weiß, wovon sie spricht, denn sie hat ein Jahr lang in Israel gelebt. In Bethlehem im Westjordanland war sie zu Hause, in Tel Aviv hatte sie Freunde. Die 20-Jährige hat beide Seiten des jahrzehntelang schwelenden Konfliktes zwischen der arabisch-konservativen Welt der Palästinenser und der westlich-liberaleren der Israelis hautnah miterlebt. "Was die Medien hier berichten und was dort wirklich passiert, ist meilenweit voneinander entfernt."

Beeindruckt hat sie die Gelassenheit, mit der die Menschen mit der täglichen Angst umgehen. Sie hat selbst einen Anschlag auf eine Straßenbahn erlebt und war während der Kriegshandlungen mit Freunden im Luftschutzkeller. "Das war auf der einen Seite beklemmend, auf der anderen Seite aber auch komisch, die Nachbarn im Schlafanzug zu sehen." Partei ergreifen konnte Sonja Steiger dennoch für keine Seite. "Als ich im Westjordanland die Bilder aus dem Gazastreifen gesehen habe, habe ich mich gefragt, wie Israel so viel Leid zulassen kann. Doch nach einem Gespräch mit meinen Freunden in Israel sind mir auch die Argumente ausgegangen", berichtet die Haanerin.

Wie nichtgläubige Israelis ihr Land als das von Gott verheißene und Palästinenser sich in der dritten Generation als Flüchtlinge bezeichnen können, versteht sie noch immer nicht. "Irgendwann müssen sie doch ankommen und sich mit der Realität auseinandersetzen." Die arabische Kultur hat die 20-Jährige intensiv kennen gelernt. Sie war für die Nachmittagsgestaltung in einem SOS-Kinderdorf verantwortlich. Der Deutsche Verein vom Heiligen Lande hatte ihr den Einsatz als Freiwillige dort vermittelt.

"Für mich stand zunächst nur fest, dass ich nach dem Abitur für ein Jahr ins Ausland gehen wollte. Dann hat mir unser ehemaliger Kaplan Peter Stelten von Israel vorgeschwärmt und dieser persönliche Rat hat zusammen mit der guten Organisation und der schnellen Zusage schließlich den Ausschlag gegeben", berichtet Sonja Steiger.

Die Katholikin hat es gereizt, die Orte der Bibel einmal persönlich kennen zu lernen. "Wenn es da heißt, dass Jesus nach Jerusalem heraufzog, dann weiß ich jetzt, was das bedeutet. Denn es geht scheinbar endlos bergauf." Auf ihren Briefkopf Bethlehem zu schreiben, war für sie ebenfalls ein besonderes Erlebnis, eine Taufe im Jordan und im Mittelmeer zu verfolgen, hat sie tief beeindruckt. Die junge Frau möchte zum kommenden Semester ihr Theologiestudium beginnen - auch darauf war Israel eine gute Vorbereitung. Denn neben Arabisch hat sie auch Hebräisch gelernt. "Beide Sprachen sind sich ziemlich ähnlich."

Obwohl sie sich inzwischen fließend arabisch unterhalten kann, ist ihr manches fremd geblieben und sie im Westjordanland eine Fremde. Jeans und lange Shirts haben sie schon optisch zur Ausländerin gemacht. Eine Woche lang hat sie versucht, sich auch der Kleiderordnung anzupassen, doch ihr Verhalten hat sie aller Verhüllung zum Trotz enttarnt. "Ich bin längere Strecken zu Fuß gegangen, war einkaufen, das tun arabische Frauen einfach nicht", berichtet die junge Frau mit den langen blonden Haaren lächelnd. Die Sprüche der Männer hat sie ertragen, bei den Frauen durfte sie auch mal unter das Kopftuch schauen. "Es hat mich erstaunt, dass die meisten sehr lange Haare haben und sie zum Teil sogar färben, obwohl das nie jemand sieht."

Das Essen und seine ganz spezielle Würze hat sie dagegen genossen. "Zimt hat für mich seitdem nichts mehr mit Weihnachten zu tun. Es gehört dort ebenso wie die Minze in herzhafte Speisen." Der Abschied aus Bethlehem und dem Heiligen Land ist Sonja Steiger schwer gefallen. Die Menschen sind ihr ans Herz gewachsen, die Straßen sind ihr vertraut, wie auch der Ruf des Muezzin jeden Morgen um vier Uhr und der Mann mit seinem Karren, der jeden Tag lauthals seine Waren anpreist. Sie ist sich sicher, dass sie dorthin zurückkehrt, auch wenn es nicht dasselbe sein wird.

(domi)
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