Haan Junge Straftäter helfen beim Naturschutz

Haan · Zu leisten sind Arbeitsstunden in der Grube 7. Am zweiten Tag sind von sieben noch vier wiedergekommen.

 Chillen im Jugendarrest oder sieben Stunden unter freiem Himmel arbeiten? Die Entscheidungen der jungen Männer zu dieser Frage fallen unterschiedlich aus.

Chillen im Jugendarrest oder sieben Stunden unter freiem Himmel arbeiten? Die Entscheidungen der jungen Männer zu dieser Frage fallen unterschiedlich aus.

Foto: Olaf Staschik

Das Tagwerk von gestern ist hangabwärts in der Gruitener Grube 7 klar zu erkennen: Die Hälfte der Wiese wurde frisch gemäht. Sieben Jugendliche haben die geschnittenen Halme zu Ballen am Wiesenrand zusammengerecht. Heute sind von sieben immerhin vier junge Männer wiedergekommen. Jetzt ist die Obstwiese oberhalb an der Reihe. Landschaftsbauer Sven Szymanski zeigt, wo die Harken sind und erklärt die Arbeitsaufgabe: "Bitte harkt das frisch gemähte Gras zusammen - so wie gestern." Beim Schnitt der Obstbäume am Vormittag haben die vier Jugendlichen Szymanski überrascht: "Die wollten alles ganz genau wissen und zeigten sich richtig interessiert."

Das ist nicht selbstverständlich. Denn wer über den Verein Neue Wege zu diesem einwöchigen Ferienprojekt ins Haaner Naturschutzgebiet gekommen ist, hat zuvor eine Straftat begangen. Diebstahl, Körperverletzung, Rauschgift. Etwa 800 bis 1000 Kinder und Jugendliche geraten pro Jahr in den Städten Haan, Mettmann, Heiligenhaus und Wülfrath auf die schiefe Bahn. Manchmal werden die Verfahren gegen die Auflage eingestellt, eine bestimmte Anzahl an Arbeitsstunden für einen gemeinnützigen Zweck zu leisten. Wie hier, in Grube 7, auf den Magerwiesen des Nabu Naturschutzbundes, an den darauf stehenden Obstbäumen und dem Grünschnitt vor den Felshöhlen, in denen sich Fledermäuse über Tag ausruhen.

Von den betroffenen Jugendlichen wird die Arbeit unter Umständen als Strafe empfunden. Für Jugendgerichtshelfer wie Einar Sosna aus Haan ist der Dienst eine Brücke zurück in ein Leben ohne Straftaten. Sosna bevorzugt die klare Ansage: "Wir dürfen uns nicht einbilden, dass die Jugendlichen hier voller Tatendrang hinkommen. Aber es ist für manche der erste Schritt zurück in einen strukturierten Alltag." Geradeheraus macht Sosna die Alternative klar: "Wer meint, die Arbeitsauflage schwänzen zu können, muss aber ersatzweise in den Jugendarrest - in die Vollzugsanstalt nach Remscheid."

Mit dem Hinweis darauf, dort könne man den ganzen Tag chillen und brauche nicht gut sieben Stunden unter freiem Himmel zu arbeiten, hat Sosna schon so manches Nachdenken in Gang gesetzt. "Etwa 80 Prozent der Jugendlichen, die einmal bei uns waren, sehen wir nicht wieder." Als sich einer der Jugendlichen ohne Abmeldung davon machen will, verliert Sosna ganz rasch seine tiefenentspannte Art: "Stopp, Stopp - wo willst du hin?" Ohne sich ordentlich bei den Betreuern abzumelden - das ist den Teilnehmern gleich zu Beginn deutlich gemacht worden - entfernt sich niemand aus der Gruppe. Rasch findet Sosna wieder zurück in den Unterhaltungston: "Jeder, der hier hinkommt, will austesten, was geht. Das ist völlig normal."

So viel Geduld haben nicht alle in der Gesellschaft mit den Jugendlichen. Es werde immer schwieriger, Stellen zu finden, wo die auffällig gewordenen Mädchen und Jungen ihre Arbeitsstunden ableisten dürften, sagt Sosna. Gesucht: gemeinnützige Einrichtungen oder Projekte wie Kindergärten, Altenheime, Schwimmbäder oder der städtische Fuhrpark.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort