Haan Schlichten statt richten

Haan · Der Stadtrat hat zwei Schiedsmänner für den Bezirk I neu bestellt.

 Peter Kürten (links) und Peter Schüller kümmern sich um Streitende, die bereit sind zu einer Schlichtung - und nicht zu denjenigen gehören möchten, die wegen nachbarschaftlichem Streit vor Gericht ziehen.

Peter Kürten (links) und Peter Schüller kümmern sich um Streitende, die bereit sind zu einer Schlichtung - und nicht zu denjenigen gehören möchten, die wegen nachbarschaftlichem Streit vor Gericht ziehen.

Foto: Olaf Staschik

Wenn zwei sich streiten, soll sich angeblich der Dritte freuen. In Wahrheit enden oft schon Meinungsverschiedenheiten über die Höhe eines Gartenzauns vor Gericht. Freuen können sich dann meist Anwälte, die hohe Honorare einstreichen. Wer lieber einen außergerichtlichen Kompromiss sucht, kann sich im Streitfall an "Schiedspersonen" wenden.

Nach dem Motto "Schlichten statt richten" vertreten in Haan Peter Kürten und sein neuer Stellvertreter Peter Schüller die Interessen von Menschen, die sich uneinig sind. Kürten übt sein Ehrenamt schon seit sechs Jahren aus und wurde vom Rat der Stadt Anfang des Jahres zum Hauptamtlichen Schiedsmann gewählt. Als ehemaliger Kontroller einer großen Firma und langjähriges Mitglied im Betriebsrat hat er in seinem Berufsleben jede Menge Erfahrung mit Rechtsprechungen und im Umgang mit Menschen gesammelt. Auch Peter Schüller weiß, was Streitschlichtung bedeutet: Er hat 24 Jahre lang die Willhelm-Fabry-Realschule in Hilden als Rektor geleitet und lebt in Haan. Hier gibt es insgesamt sechs Schiedspersonen, die in drei Bezirken arbeiten. Sie werden vom Rat der Stadt gewählt und vom Amtsgericht vereidigt. Letzteres verpflichtet sie zur Verschwiegenheit. Ihre Verhandlungsergebnisse sind rechtsverbindlich und ein von ihnen mit den streitenden Parteien erzielter Vergleich 30 Jahre auch vor Gericht verbindlich. Peter Kürten erhält für seine Tätigkeit 102 Euro Aufwandsentschädigung. Pro Jahr. Die Kosten für einen geschlossenen Vergleich belaufen sich auf 50 Euro. "Rund eine Millionen Verfahren werden in Deutschland wegen nachbarschaftlicher Streitigkeiten vor Gericht geführt", zitiert Kürten ein Fachblatt. Zwischen 600 und 800 Euro mindestens kostet so ein juristisches Verfahren. Rechtsanwälte und Sachverständige würden zwar häufig über eine Rechtsschutzversicherung finanziert, aber: "Die Versicherungen kündigen gerne mal nach einem Prozess. Und Einigkeit zwischen den Parteien wurde auch nicht erzielt." Ein Schiedsmann dagegen geht häufig an den Ort: "Da sehe ich, wie hoch die Hecke des einen und wie groß der Schatten bei dem anderen ist." Das kostet nichts und man kann anschließend den streitenden Nachbarn Gelegenheit geben, sich in einem Amtszimmer des Rathauses friedlich zu einigen. Problem: "Die Leute reden oft nicht mehr miteinander sondern nur noch übereinander." Neben Kenntnissen im Nachbarschaftsrecht gehören auch vermögensrechtliche Belange und die Verletzung der persönlichen Ehre in das Aufgabengebiet der Laien-Juristen. "Zu 60 Prozent geht es um die Grenzbepflanzung." Grill-Rauch und Rasen-Mäher-Geräusche zählen ebenfalls zum Streit-Standard. Oder der "Überfall", der wörtlich gemeinte, beispielsweise, wenn Äpfel in Nachbars Garten plumpsen. In Haan, so Kürten, gebe es dann schon mal Hahnen-Kämpfe zwischen Menschen mit Ansehen und großen Grundstücken. Aber eigentlich sei die Gartenstadt mit durchschnittlich fünf bis sechs Streitereien jährlich im Vergleich mit Ballungszentren eine Insel der Glückseligen. Manchmal reiche es, wenn streitende Parteien einem Dritten gegenüber Dampf ablassen könnten.

Das bestätigt auch Ex-Schulleiter Schüller, der seit vier Jahren in Pension ist. Menschen auf der Gefühlsebene zu erreichen, hält auch er für wichtig. "Deshalb bin ich sehr gespannt auf diese neue Aufgabe."

(RP)
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