Zweiter Weltkrieg im Kreis Mettmann Zwei überlebten den Bomber-Abschuss von 1944

Haan/Erkrath · Vor dem Lokschuppen in Erkrath ist in einer Vitrine ein riesiger Sternmotor eines über Trills explodierten englischen Weltkriegsbombers zu sehen. Das Wrackteil erinnert an einen Vorfall vom 21. November 1944, der Haan und Erkrath gleichermaßen betrifft.

 Der Pilot saß im Halifax-Bomber ganz oben. Unter ihm hatten Bordingenieur, Funker, Bordschützen und die anderen der siebenköpfigen Besatzung Platz. Zum Absprung musste der Pilot hinunter, um an die Sprungluke zu kommen. Der Pilot gab an, der Mannschaft ein Verlassen der Maschine befohlen zu haben. Wenn das so gewesen sein sollte, hätten sechs Soldaten sich dem Befehl widersetzt.

Der Pilot saß im Halifax-Bomber ganz oben. Unter ihm hatten Bordingenieur, Funker, Bordschützen und die anderen der siebenköpfigen Besatzung Platz. Zum Absprung musste der Pilot hinunter, um an die Sprungluke zu kommen. Der Pilot gab an, der Mannschaft ein Verlassen der Maschine befohlen zu haben. Wenn das so gewesen sein sollte, hätten sechs Soldaten sich dem Befehl widersetzt.

Foto: Archiv Kohl

Der Haaner Heimatforscher Manfred Kohl hat jetzt in Ellen Schmitz wohl eine der letzten Zeitzeuginnen gefunden. Historiker führen Spuren zusammen.

Ellen Schmitz erinnert sich noch genau an diesen Tag vor 73 Jahren. Gegen 19 Uhr brachten ihr Vater und ihr Onkel Emil, Bauer auf Gut Kneteisen, einen verwundeten Soldaten samt seinem Fallschirm auf den Hof. Der baumlange Kerl - laut seiner grünlichen Uniform ein Kanadier - saß in der Küche und haderte mit seinem Schicksal. Die Atmosphäre sei sehr beklemmend, zum Teil offen feindselig gewesen. Ein herbeigelaufener Nachbar habe geäußert, man solle den Terrorflieger erschlagen, erinnert sich Ellen Schmitz. Emil Augustin stellte klar: "So lange ich Bauer auf dem Hof bin, wird hier keiner totgeschlagen!"

Ein 2012 veröffentlichter Haaner Luftschutzbericht gibt dem Verletzten einen Namen: Fliegerhauptmann Albert Edward Steeves. Er hatte einen Armdurch-, einen Schulter- und Lungensteckschuss. Zu Fuß wurde er ins Haaner St. Josef-Krankenhaus gebracht, wo er zwei Wochen lang behandelt und am 6. Dezember 1944 zur Fliegerhorstkommandantur in Düsseldorf überführt wurde.

Unterlagen der Steyler Missionsschwestern, die damals das Krankenhaus an der Kaiserstraße (Landesfinanzschule) betrieben, verraten weder den Namen des Piloten noch etwas über seine medizinische Versorgung in einer Dachkammer. Der damalige Chefarzt, Dr. Rauen, konnte sich im Jahre 1993 allerdings an eine einmalige Schulter-behandlung eines "sehr verstörten und verängstigten" kanadischen Fliegers während dieser Zeit erinnern.

Den Weg zum Krankenhaus beschrieb Steeves in einer Tagebuchnotiz als "ziemlich schwierig und ich musste mehrfach rasten". Der abgesprungene Flieger vermerkt auch, dass man ihm auf dem Hof einen Füller, ein Feuerzeug, die Brieftasche und Fotos abgenommen habe. Bauer Augustin wurde später ins "Braune Haus" bestellt, wo der Ortsbauernführer wegen der Rettung des Piloten gerügt wurde.

Manfred Kohl ist in englischen und kanadischen Militär-Archiven fündig geworden. Albert Edward Steeves war Pilot der "Huntley Page Halifax" mit der Nummer NP810 - EQ-H. Auf dem Rückflug von einem Angriff auf eine Raffinerie in Castrop-Rauxel wurde der Bomber von Nachtjägern beschossen. Dass er mit seinem Fallschirm in Haan landete, die sechs Kameraden aber über Trills absprangen oder in den Flugzeugtrümmern zu Tode kamen, lässt Manfred Kohl stutzen. "Hätte der Pilot tatsächlich den Befehl zum Aussteigen gegeben, hätte die gesamte Crew den Krieg überlebt. Um mit dem Fallschirm aussteigen zu können, musste sich der Offizier von seinem höher gelegenen Pilotensitz zum Notausstieg hinter der Pritsche des Bombenschützen begeben. Vorbei an Männern, die auch um ihr Leben bangten. Schwer vorzustellen, dass es an Bord der Halifax sechs Befehlsverweigerer gab."

Lange war nicht bekannt, dass es sich bei dem über Haan schon brennenden Flugzeug um die Maschine handelte, deren Motor in Erkrath noch zu sehen ist. Der Absturz wird in der Pfarrchronik von St. Franziskus beschrieben: "Von jenseits der Kirche leuchtete der purpurne Widerschein eines gewaltigen Brandes durch die Kellerfenster herein", schrieb Karl Faßbender. In Hochdahl waren Teile der zerstörten Maschine bis zur Sedenquelle geflogen. Tote Flieger schlugen in Gärten auf. Der Rumpf des Flugzeuges sei unweit des Chores ins Ackerland gestürzt und in einem ungeheuren Glutherd ausgebrannt. 2006 wurde der Motor in einem Teich entdeckt.

Ein Insasse des Bombers konnte sich über das Dach des Lehrerhauses in Trills retten und in den Bayerwald flüchten. "In den Köpfen der damaligen Kinder spukte er noch lange Zeit als Geist, der vom Himmel kam und verschwand, herum", weiß Hanna Eggerath, die zusammen mit dem Düsseldorfer Archäologe Thomas Boller in detektivischer Kleinarbeit Fakten zum Bomberabsturz sammelte und 2011 für die Ausstellung des Flugzeugmotors sorgte. Die anderen beiden Überlebenden starben wenig später an den Folgen ihrer Verletzungen im Krankenhaus.

Soldat Jim McPhee konnte sich binnen einer Woche bis an die Stadtgrenzen von Düsseldorf und Duisburg durchkämpfen und wurde auf einem Bauernhof aufgenommen. Doch der Landwirt musste den jungen Kanadier bei den Behörden melden. Bis der beim Absturz 19-jährige McPhee wieder in seine Heimat zurückkehren durfte, durchlebte er die Hölle zweier Kriegsgefangenenlager. 2006 besuchte der Chirurg aus der kanadischen Provinz Ontario auf Einladung der Erkrather die Absturzstelle. Als die Gastgeber ihm ein Taschentuch aus dem Stoff seines Fallschirms übergaben, flossen Tränen.

Auch in Haan wurde der Leinenstoff des Fallschirms genutzt: Aus ihm wurden Kleider genäht.

(-dts)
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