Hilden Aktion: Gewalt kommt nicht in die Tüte

Hilden · Auf Brötchentüten steht in acht Sprachen, wo Frauen Hilfe finden, wenn sie Opfer von (häuslicher) Gewalt werden.

 Die Gleichstellungsbeauftragte Monika Ortmanns (l.) und Susanne Hentschel präsentieren die Brötchentüten mit der ungewöhnlichen Botschaft.

Die Gleichstellungsbeauftragte Monika Ortmanns (l.) und Susanne Hentschel präsentieren die Brötchentüten mit der ungewöhnlichen Botschaft.

Foto: Staschik

10 Uhr morgens bei Bäcker Kamps am Warrington Platz: Kunden kaufen ein und erhalten - ganz normale Tüten. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hilden, Monika Ortmanns, und Susanne Hentschel, Leiterin des Kinderparlaments und der Präventionsstelle "Gewalt und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche", wundern sich und fragen nach. Sofort kommen die Brötchentüten mit dem pinkfarbenen Aufdruck zum Einsatz.

Die Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Mettmann haben gestern den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen genutzt, um die Opfer auf ungewöhnliche Art zu erreichen: Sie haben Brötchentüten an die Bäcker verteilt, auf denen in acht Sprachen steht: "Stoppt Gewalt gegen Frauen". Aufgedruckt ist auch eine Liste von Telefonnummern, wo es Schutz und Hilfe für Gewaltopfer gibt. Sieben Hildener Bäckereien und Filialen sollten 6000 dieser Brötchentüten mit der Aufschrift "Gewalt kommt nicht in die Tüte" unters Volk bringen: "Wir hoffen, mit dieser Aktion auch die Frauen zu erreichen, die bisher nicht den Mut hatten, eine Beratungsstelle aufzusuchen", erklärt Monika Ortmanns.

Nur 20 Prozent der Frauen, die Gewalt erfahren, nutzen die bestehenden Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen. Dabei nimmt die Gewalt im Kreisgebiet seit Jahren zu: Im Jahr 2014 wurden 631 Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt erstattet - ein Anstieg um 97 Strafanzeigen oder 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In 316 Fällen (2013: 300) wurden Wohnungsverweise und Rückkehrverbote ausgesprochen.

2014 gab es 36 Neuaufnahmen von Frauen mit ihren Kindern, die Zuflucht im SKFM Frauen- und Kinderschutzhaus für den Kreis Mettmann fanden. Auffällig ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Bewohnerinnen. Waren es 2013 noch 42 Tage, so betrug die Verweildauer 2014 im Durchschnitt 68 Tage, 2015 mehr als 70 Tage.

Gründe für die ungewöhnlich langen Aufenthalte sind unter anderem die deutlich schwierigere Wohnungssuche und der lange Weg zu Entscheidungen über das Aufenthaltsrecht. Um auch mit Frauen in Kontakt zu kommen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, sind die Tüten erstmals in acht Sprachen beschriftet: deutsch, englisch, französisch, spanisch, polnisch, türkisch, russisch und arabisch. "Wir haben auch Tüten bei der Tafel abgegeben, denn man hört, dass viele Flüchtlingsfrauen Opfer von Gewalt geworden sind", erklärt Ortmanns. Unterstützt wird die Aktion von den Hildener Bäckereien Busch, Jung, Kamps, Knelange, Suckow, Westerhorstmann und Wulf.

Die Bäckerei Schüren macht diesmal nicht mit. Im vergangenen Jahr waren Roland Schürens Läden noch dabei. Er denkt länger darüber nach, warum nicht: "Ich finde, es gibt Dinge, die passen nicht so gut auf Brötchentüten", sagt der Unternehmer vorsichtig. Er glaubt, solche Botschaften sollten die Gleichstellungsbeauftragten und die Medien verbreiten. Die Kunden bei Kamps dagegen finden die Brötchentüten-Aktion gut: "Ich könnte mir vorstellen, dass so mehr Leute erreicht werden", sagt Claudia Fischer. Und ein Mann, der sofort ankündigt, die Aktion auf Facebook teilen zu wollen, nicht aber seinen Namen nennen möchte, sagt: "Vielleicht kommt ja nicht jedes Gewaltopfer ins Internet. Und vielleicht haben die auch keine Zeitung abonniert. Da sind die Telefonnummern auf der Brötchentüte schon gut."

(RP)
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