Interview: Rp-Serie Sammeln Aus Leidenschaft (5) Auf alten Seiten neue Welten entdecken

Hilden · Science Fiction ist Zukunft und Fiktion. Bei Rolf Müller ist etwas Erstaunliches geschehen: Zukunft trifft auf Vergangenheit.

 Heute füllt ein verwinkeltes Labyrinth aus Regalen Keller und Dachboden. Bis unter die Decke sind sie gefüllt mit Heften und Büchern: Rolf Müller zwischen seinen Schätzen.

Heute füllt ein verwinkeltes Labyrinth aus Regalen Keller und Dachboden. Bis unter die Decke sind sie gefüllt mit Heften und Büchern: Rolf Müller zwischen seinen Schätzen.

Foto: Olaf Staschik

Die Eroberung ferner Welten, Schlachten im Weltraum, Abenteuer mit fantastischen Wesen und bizarre Zukunftsvisionen haben Rolf Müller früh fasziniert. Schon als Kind konnte er mit Karl May wenig anfangen und tauchte stattdessen lieber in fiktionale Szenarien jenseits von Zeit und Raum ein. "In den 50er Jahren habe ich die ersten Bilderheftchen und Serien entdeckt. Eine hieß ,Utopia', eine andere ,Terra'. Die habe ich mir wöchentlich gekauft", erzählt der 71-Jährige.

Als später die ersten fantastischen Filme in die Kinos kamen, saß er sonntagsnachmittags in den ersten drei Reihen und flog und kämpfte mit den Hauptfiguren mit. "In der Haaner Bücherei habe ich mir für 35 Pfennig dicke Bücher ausgeliehen und besonders die Serie Rex Yale sehr intensiv gelesen", sagt Rolf Müller. Vom Lesen zum Sammeln war für ihn nur ein kleiner Schritt. Bis zum Ende der 60er Jahre hob er alle Hefte auf, doch dann wollte er seine eigenen Abenteuer erleben.

"Damals war ich einige Zeit mit dem Rucksack und per Autostopp in Europa unterwegs. Vorher habe ich die meisten Hefte verschenkt, da ich nicht wusste, wohin damit." Erst als er nach seiner Rückkehr mit seiner Freundin über Trödelmärkte schlenderte, entdeckte er seine Leidenschaft wieder. "Für 50 Pfennig pro Stück habe ich mir die ersten Bücher gekauft. Für mich waren das Jugenderinnerungen. Erst meine Freundin hat mich darauf gebracht, wieder zu sammeln. Platz genug hatten wir damals schon."

Heute füllt ein verwinkeltes Labyrinth aus Regalen Keller und Dachboden. Bis unter die Decke sind sie gefüllt mit Heften und Büchern -alle säuberlich in Folie verpackt. Es soll möglichst keine Feuchtigkeit daran kommen", sagt Rolf Müller. Von seinen geschätzten 15 000 Exemplaren hat er maximal 500 gelesen. "Seit ich Rentner bin, habe ich dazu mehr Gelegenheit. Doch ich bin in erster Linie Sammler", betont der Haaner. Sein Spezialgebiet ist die Vorkriegsliteratur. Die ältesten Werke in seinen Regalen stammen von 1750. "Das Genre beginnt zwar schon um 1650, aber ich habe Schwierigkeiten mit der altdeutschen Schrift. Mir fehlt die Geduld, sie intensiv zu studieren."

An den alten Schriften begeistert ihn besonders der scheinbar unerschöpfliche Ideenreichtum der Autoren. "Statt ständiger Schlachten im Weltraum erzählen sie über medizinische Experimente, mutierende Menschen, Erfindungen und die Besuche von Außerirdischen." Diese Vielfalt und Originalität sei mit modernen Utopien nicht vergleichbar. Die Sammlung endet daher in den 70er Jahren. "Danach kommen überwiegend Wiederholungen."

Den Grundstock seiner ständig wachsenden Bibliothek legte eine Schenkung aus dem Sauerland. "Von dort bekam ich vom Vorsitzenden der deutschen Leihbücherein ein Angebot. Also bin ich mit meiner Freundin dorthin gefahren und kam in ein Haus, in dem mindestens 150 000 Bände zu verschiedenen Themen in allen Räumen gestapelt waren", erinnert sich Rolf Müller. Er sollte alles sortieren und durfte im Gegenzug mitnehmen, was er brauchen konnte. "Zwei Tage bin ich geblieben."

Manche Schätze entdeckte der Haaner aber auch ganz zufällig bei seinen Streifzügen durch Antiquariate und Trödelmärkte. Bei einem Urlaub auf Mallorca fiel ihm so "Kain der Heiland" von Johannes Tralow in die Hände. Für fünf Euro erwarb er das Büchlein, ohne zu wissen, was er da in den Händen hielt. Erst seine spätere Recherche machte ihm bewusst, dass er Entdeckung gemacht hatte. "Es ist in keinem Verzeichnis nachweisbar und ein Experte hat mir später bestätigt, dass es europaweit überhaupt nur viermal existiert." Eine Sensation.

Noch größeren Seltenheitswert hat nur der Band "Tarzan kauft sich einen Affen". Es ist Rolf Müller nicht gelungen herauszufinden, ob davon noch ein weiteres Exemplar vorhanden ist. "Deswegen haben mich schon viele Sammler angerufen, die bezweifeln, dass ich das Buch besitze." Ein Verkauf kommt ohnehin nicht in Frage. Er gibt nichts ab, was in seinem Regal nicht doppelt vorhanden ist. Nur einmal hat er eine Ausnahme gemacht, als er ein Taschenbuch, das er selbst für einen Euro auf dem Trödel gekauft hat, für einen guten Preis und im Tausch gegen andere seltene Exemplare weitergegeben hat. "Das war ein einmaliger Freundschaftsdienst, denn ich hänge an meinen Büchern."

Den Ehrgeiz, alles zu lesen, hat der Sammler nicht, doch er ist sich sicher, dass die Leidenschaft ihn sein Leben lang begleiten wird.

(domi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort