Hilden Blindenhund darf an die Fleischtheke

Hilden · Der stark sehbehinderte Wolfram Marold braucht seinen Hund, um sich im Lebensmittelgeschäft zurechtzufinden.

 Wolfram Marold und sein Blindenführhund "Disko". Der vierjährige Rüde kann genau unterscheiden zwischen Arbeit und Freizeit.

Wolfram Marold und sein Blindenführhund "Disko". Der vierjährige Rüde kann genau unterscheiden zwischen Arbeit und Freizeit.

Foto: Ralph Matzerath

Er steht vor dem Edeka-Geschäft an der Walder Straße und fordert "Disko" auf, ihn zum Eingang zu lotsen. Der schwarze Labrador führt den Sehbehinderten zielstrebig ins Geschäft. An der Information ist Schluss: "Halt, Sie können hier nicht hinein", sagt eine Angestellte laut und vernehmlich. Wolfram Marold bleibt stehen. Ein weiterer Mitarbeiter mischt sich ein: "Nein, schon gut. Sie dürfen hinein." Und zu seiner Kollegin sagt er: "Führhunde dürfen das."- "Ach so. Entschuldigung. Das wusste ich nicht." Marold und Disko können ungehindert einkaufen. "Vor ein paar Wochen war das noch nicht möglich", erzählt der 67-jährige Sehbehinderte. Etwas skeptisch gucken die Kunden im Geschäft schon, als Herr und Hund durch die Gänge ziehen. Es sagt bei diesem Testlauf aber niemand etwas. Im benachbarten Lidl ist es noch einfacher: Niemand hält das Duo auf. Marold freut sich: "So langsam spricht es sich herum."

Tatsache ist, dass Assistenz- und Blindenführhunde Sonderrechte haben. Dies hat das Bundesernährungsministerium 2013 ausdrücklich bestätigt und die entsprechende Verordnung auch auf seine Internetseite gestellt. Dort heißt es sinngemäß, dass Haustiere aus hygienischen Gründen nicht in den Lebensmittelbereich dürfen, Blindenführ- und Assistenzhunde aber schon. Die Begründung dafür: "Das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen ist hier ausschlaggebend." Es müsse nur darauf geachtet werden, "dass Tiere nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen und diese verunreinigen".

Wolfram Marold führt einen Ausdruck dieses Internettextes sicherheitshalber immer mit sich. Manchmal kommt er allerdings gar nicht dazu, ihn vorzuzeigen: "Im Lokal Extrablatt an der Mittelstraße hat man mich regelrecht hinausgeworfen." Ein Jahr sei das allerdings schon her. Bei der Bäckerei Knelange am Lindenplatz sei er gerade erst der Tür verwiesen worden. "Ich habe denen aber das Schreiben ausgehändigt und sie wollten es sich durchlesen."

Die Lektüre hat offenbar geholfen. Inhaberin Christel Leminski gibt sich gegenüber der RP zerknirscht. "Ich habe mich bei unserer Einkaufsgenossenschaft und beim Ordnungsamt informiert und weiß jetzt, dass es diese Sonderregelung gibt. Alle unsere Verkäuferinnen in den drei Hildener Läden sind informiert und werden Therapiehunde in Zukunft hereinlassen." Was sie nicht sagt, erzählt Marold später: "Die Inhaberin der Bäckerei hat mich angerufen und sich bei mir entschuldigt. Das finde ich sehr anständig." Auch im Lokal Extrablatt werden wohl keine Assistenzhunde mehr ausgesperrt. Schichtleiter Deniz Serdar beteuert, dass es eine schöne Ecke im Café gebe, in der für Behinderte und ihre Hunde genug Platz sei.

Marold ist Mitglied im Vorstand des Blinden- und Sehbehindertenvereins des Kreises Mettmann. Er will keinen Streit und wirbt für die Zuverlässigkeit der Führhunde: "Die werden schon als Welpen nach Charakter ausgesucht und zwei Jahre auf ihre Aufgabe vorbereitet. Wenn sie ihr Geschirr tragen, wissen sie ganz genau, dass Fressen und Spielen verboten sind." Daran hält sich auch Disko, der von Natur aus verfressene, vierjährige Labrador-Rüde. "Er würde nie an Lebensmittel drangehen, wenn er arbeitet." In der Freizeit aber schon: "Neulich habe ich ihn im Wald frei laufen gelassen. Da lag leider eine Mülltüte. Über die hat er sich hergemacht. Alles Rufen war vergeblich." Nobody is perfect.

(RP)
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