Hilden Demenz-Center geht neue Wege

Hilden · Verhandlungen mit Freizeitgemeinschaft laufen. Alles-wird-schön-Verbund sammelt Spenden für die Gruppe.

Demenz, nicht mehr Krebs ist die Krankheit, vor der die Deutschen am meisten Angst haben. Deshalb löst ein Besuch im Klön-Treff des Demenz-Info-Centers Hilden zunächst Beklommenheit aus. Nur Mut: Sie werden positiv überrascht sein. Bei der Freizeitgemeinschaft Behinderte und Nichtbehinderte an der Gerresheimer Straße 20b werden aktuell acht Kranke zwei Mal die Woche vormittags betreut, um die Angehörigen zu entlasten. Die Atmosphäre ist nicht deprimierend, sondern offen und freundlich. Die Betreuer wirken eher wie angenehme Club-Animateure: anregend, aber nicht aufdringlich. Wenn Ulrike Mundt im Stuhlkreis Bill Haleys "Rock around the clock" auflegt, fangen die alten Damen und Herren auf ihren Stühlen an zu tanzen. "Das ist die Musik aus ihren jungen Jahren und sie weckt Gefühle und Emotionen", erklärt die Vorsitzende des Demenz-Info-Centers. "Frau Mundt macht gesund", witzelt Hermann (Name geändert) nach der sportlichen Einlage. "Wenn ich das könnte, würde ich es tun", lacht Mundt.

Demenz ist eine schwere Krankheit, aber kein Grund, nicht auch Spaß und Freude zu haben, lernt der Besucher - zumindest nicht im Klöntreff. Erstaunlich, was die Kranken noch alles können: Malen, gemeinsam Kochen, Zeitung lesen, Seife machen oder (bitte nicht verraten) Schnaps brennen mit Kräuterfachfrau Barbara Trennhaus - als Geschenk für die Angehörigen. Tania Eisentraut macht mit ihnen Qi gong: Das hilft, zu entspannen. "Das Angebot hier ist wirklich klasse", sagt Hermann. "Demenzkranke haben noch viele Fähigkeiten", erläutert Mundt. Sie ist examinierte Altenpflegerin, ausgebildete Demenzbegleiterin und kennt sich auch mit Naturheilkunde aus: "Man muss die Emotionen der Kranken ansprechen. Und die Gemeinschaft in der Gruppe tut ihnen gut."

Hedwig Braun hat den Verein vor 15 Jahren als Selbsthilfegruppe gegründet. Seitdem ist viel für die Kranken und ihre Angehörigen in Hilden getan worden: "Die Stadt steht dahinter. Was fehlt, ist das Verständnis in der Öffentlichkeit." Viele Familien seien voller Scham und versteckten ihre Demenzkranken. "Das ist falsch", erklärt Braun: "Man muss Freunde, Verwandte und Nachbarn einweihen und einbeziehen. Sonst ziehen diese sich zurück, weil sie merken, da ist was, ohne zu wissen, worum es geht." Hedwig Braun kann sich noch gut an den Anruf einer Freundin vor vielen Jahren erinnern: "Hedwig, weißt du eigentlich, dass dein Mann gerade mit einer jungen blonden Frau über die Mittelstraße spaziert? Da habe ich ihr erzählt, dass mein Mann demenzkrank und die junge Frau seine Betreuerin ist."

Das Demenz-Info-Center will sich mit der Freizeitgemeinschaft Behinderte und Nichtbehinderte zusammenschließen. Die Verhandlungen laufen. "Wir haben viele Berührungspunkte und können voneinander profitieren", sagt Mundt: "Auch Parkinson und MS-Kranke werden demenzkrank." Und bei den regelmäßigen Besuchen im Lama Begegnungszentrum Dormagen (Die Tiere entscheiden selber, mit welchem Besucher sie Kontakt aufnehmen) könnten die Kranken künftig auf die Fahrzeuge der Freizeitgemeinschaft zurückgreifen: "Das ist viel günstiger als Taxen."

Rund 1200 Demenzkranke leben derzeit in Hilden. In 15 Jahren könnten es 1400 sein. Das Demenz-Info-Center ist auf Spenden angewiesen und freut sich deshalb über die Benefiz-Aktion des Handwerker-Verbunds "Alles wird schön".

(RP)
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