Hilden Der letzte Tag: Bioladen sagt "Auf Wiedersehen"

Hilden · Wenn Yamina Merzougui heute Abend die Eingangstür zu ihrem Naturkostladen an der Heiligenstraße abschließt, geht eine Ära zu Ende: 33 Jahre lang hat sie ihre unzähligen Stammkunden mit gesunder und frischer Ware versorgt. Vielleicht aber gibt es doch eine Möglichkeit, den Laden zu retten.

 Yamina Merzougui hat vor vier Wochen entschieden, ihren Bioladen endgültig zu schließen. Hier ist sie im Gespräch mit Kundin Astrid Bösch.

Yamina Merzougui hat vor vier Wochen entschieden, ihren Bioladen endgültig zu schließen. Hier ist sie im Gespräch mit Kundin Astrid Bösch.

Foto: olaf Staschik

Behutsam packt Irmgard Nagel ihren Einkauf in den Stoffbeutel: Hirse, Essig, Naturseife, Gesichtscreme und ein paar andere Dinge für den täglichen Bedarf. "29,65", rechnet Yamina Merzougui auf dem alten Taschenrechner zusammen. Hermann Nagel streckt ihr einen 50 Euro-Schein entgegen. "Seit Jahrzehnten sind wir hergekommen, ich kann das alles nicht glauben", sagt der Senior mit leiser Stimme, sein Blick richtet auf den bereits leergeräumte hinteren Teil des kleinen Biolädchens, "wo sollen wir bloß in Zukunft hingehen?". Auch seiner Frau versagt fast die Stimme, als Yamina Merzougui um die Ladentheke kommt, um sich von ihren beiden treuen Kunden mit einer festen und langen Umarmung zu verabschieden. "Wenn ich nur an Dein Sonnenblumenbrot von früher denke, Yamina", schwärmt die alte Dame und kämpft mit den Tränen, "dieser Duft, der Geschmack, so ein leckeres Brot habe ich nie wieder irgendwo gefunden."

Yamina Merzougui wirkt erstaunlich gefasst, zu viele Abschiede sind es vermutlich in den vergangenen Tagen gewesen. "Ich habe es ja auch seit Januar gewusst, seit mir das Ladenlokal von meiner neuen Vermieterin gekündigt wurde", erklärt die 56-Jährige, während sie den Boden fegt. Immer wieder kommen vertraute Gesichter herein, wollen sich beim günstigen Abverkauf mit Vorräten eindecken, nur einen Kaffee trinken oder Yamina Marzougui einfach mal drücken.

Irina Schäfer füllt einen leeren Eierkarton mit sechs Bioeiern und nimmt eine Zucchini aus einer Holzkiste, eine Flasche Bioapfelsaft. "Ich war schon mehrfach hier in den letzten Tagen und habe hier viel gekauft", sagt die langjährige Stammkundin, während sie die Inhalte der verschiedenen Müslisorten miteinander vergleicht. "In den Anfangsjahren lief das Geschäft eher schleppend", erinnert sich Yamina Merzougui, während sie Irina Schäfer im Arm hält, "wenn wir da Geld brauchten und die hohen Zinsen der Banken nicht zahlen konnten, dann haben uns Stammkunden wie Irina Kleinkredite gegeben." Die Kundin lacht verlegen. "Das ist doch klar, dass man aushilft, wenn es geht. Wir haben unser Geld dann in Form von Lebensmitteln und anderen Produkten zurückbekommen."

Kaum ein zweites Einzelhandelsgeschäft in Hilden hat solange Bestand gehabt, so viele Jahre nicht die Ladenräume gewechselt. "Dazu", sagt Yamina Merzougui mit voller Überzeugung, "haben alle beigetragen: meine vielen lieben Stammkunden und meine stets wunderbaren Mitarbeiterinnen." Eine von ihnen, der der Abschied besonders schwer fällt, ist Birgit Huismann, seit vielen Jahren als festangestellte Mitarbeiterin an Yamina Merzouguis Seite. Ihr steht die Trauer ins Gesicht geschrieben, ihre Stimme klingt brüchig. "Ich fasse das alles nicht, ich will das nicht wahrhaben, dass es zu Ende sein soll, ich war hier so glücklich."

Seit Januar haben sich beide Frauen nach anderen Räumlichkeiten umgeschaut, zwei Ladenlokale würden perfekt passen, um den Naturkostladen im Zentrum weiterzuführen. "Das Problem ist nur, dass die Mieten rund 1000 Euro teurer sind als hier, das ist für uns nicht zu stemmen", erklärt Yamina Merzougui, fährt dann mit den Fingernägeln über die hölzerne Theke und atmet tief durch, "daher habe ich mich vor vier Wochen zu einem endgültigen Aus entschieden." Das aber will niemand wirklich glauben, denn wo ein Wille ist, ist bekanntlich ein Weg. "Ihr habt ja alle Recht", seufzt die Ladeninhaberin, während die anwesenden Stammkunden klar signalisieren: dich lassen wir nicht einfach gehen. "Rein theoretisch müsste ich ja nur 500 Förderer finden, die feste monatlich zwei Euro spenden- dann könnte es tatsächlich weitergehen".

Wer zur Rettung des Naturkostladens "Guten Morgen" beitragen möchte, kann eine E-Mail schicken an "gutenmorgen@merzougui.de"

(dani)
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