Postskriptum Die Woche In Unserer Stadt Ein Zeichen der Zeit unter dem Brennglas

Hilden · In eigener Sache müssen wir an dieser Stelle einen RP-Bericht und die Reaktionen darauf reflektieren. Es geht um den jungen Ghanaer, der eines Tages einfach weg war.

Jeden Tag seit Erscheinen der Geschichte "Und dann war er weg" in der RP haben mehr als 10.000 Hildener Leser sie online angeklickt - kein Rekord, aber nahe dran. Ein Vorgang, der sich in der virtuellen Welt abgespielt hat und doch eine Bedeutung für die Woche in unserer Stadt hatte. Denn Hunderte haben sich animiert gefühlt, die Geschichte des jungen Ghanaers zu kommentieren. Diese Kommentare sind denkwürdig, weil sie die Debatten um Flucht und Asyl, um Einwanderung und Integration zusammenfassen, alle Ansichten und Tonarten sind vertreten.

Kurz gesagt geht es in der Geschichte um einen jungen Mann aus Afrika, der eines Tages in Deutschland ankommt. Er findet rasch Anschluss und hat das Glück, bei einer Familie unterzukommen. Er beginnt eine Ausbildung in einem Maler- und Lackiererbetrieb, alles scheint gut. Bis es um die Frage des Aufenthaltsrechts geht, denn er ist als Asylsuchender gekommen. Er wartet nichts ab, sondern packt eines Nachts seine Siebensachen und verschwindet wie er gekommen ist. Seither hat niemand, der hier mit ihm zu tun hatte, etwas von oder über ihn gehört.

Die Frage, um die sich die Kommentare drehen, ist die, die das ganze Land seit dem Sommer 2015 bewegt: Was ist richtig und wichtig in Fragen der Hilfe und der Solidarität mit Flüchtenden? Stehen die Menschlichkeit, das Erbarmen (ja: ein versunkenes Wort) über unseren Gesetzen und Verträgen - siehe Dublin-Abkommen? Hat die Kanzlerin das Recht zu Recht gebeugt, als sie EU-Verträge außer Kraft setzte, immer in der irrigen Hoffnung, Europa werde ihr folgen? Auf unseren Fall bezogen: Hat die Familie, die den Ghanaer aufnahm, gegen geltendes Asylrecht verstoßen - so, wie manche es ihr vorwerfen?

An diesem Schicksal, das für Millionen Menschen steht, die ihre Heimat verlassen, wird erneut deutlich, wie schädlich es ist, das Asylrecht zur praktisch einzigen Möglichkeit gemacht zu haben, nach Deutschland einzuwandern. Der junge Ghanaer hat und hätte auch weiterhin niemanden gestört, nur wäre ihm kaum politisches Asyl gewährt worden. Die Verstrickung von Asyl und Arbeitsmigration führt zu lauten Misstönen in den Debatten - und zu Wut, der die Atmosphäre vergiftet.

(RP)
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