Hilden Elbseeschüler lernen blindes Vertrauen

Hilden · Wie fühlt es sich an, taub zu sein? Nicht sehen zu können? Das Langenfelder Projekt "Ein ganz normaler Tag" gibt Schülern die Möglichkeit, Einblick in den Alltag eines körperbehinderten Menschen zu gewinnen.

 Karl Markofsky und Luis sind beim Projekt "Ein ganz normaler Tag" als Team auf dem Tandem unterwegs.

Karl Markofsky und Luis sind beim Projekt "Ein ganz normaler Tag" als Team auf dem Tandem unterwegs.

Foto: Olaf Staschik

Die Herbstsonne strahlt aus wolkenlosem Himmel auf den Schulhof der Elbseegrundschule. Marie setzt sich einen Fahrradhelm auf und besteigt den hinteren Sitz eines Tandems. Tandem fahren - das alleine ist schon ungewöhnlich, ganz besonders aber wird es, als ihr der "Pilot" (der vordere Fahrer) eine schwarze Augenmaske aufsetzt. Sehen kann die Viertklässlerin nun nichts mehr, alles ist schwarz.

Ihr Pilot, Mitglied des ADFC, fährt mit Marie kreuz und quer, hin und her, über holperige Wege, nach links, nach rechts. Marie soll lernen wie es sich anfühlt, die Orientierung zu verlieren, ausgeliefert zu sein. "Das war richtig spannend", sagt die Neunjährige ehrlich beeindruckt und nimmt sichtlich erleichtert die Maske ab. Auch Luis hat sich auf das Experiment eingelassen. "Ich kann jetzt besser verstehen, wie es sich anfühlt, nichts sehen zu können."

Im Innenhof ziehen einige kleine Menschen gerade dicke Westen an. Mitarbeiter der Weik-Stiftung, die das Projekt anbietet, behängen die Kinder zusätzlich mit Gewichten. "Hier sollen sie lernen, wie es sich anfühlt, dick zu sein", erklärt Elmar Widera. Auch das ist ein Handicap - und Anlass für Hänseleien. "Das Ziel unseres Projektes ist es zu zeigen, dass auch Menschen mit Behinderung einen Alltag, also einen für sie ganz normalen Tag leben, zum anderen natürlich Kinder für Menschen mit körperlichen Handicaps zu sensibilisieren", sagt Widera.

Britta Roßbach-Gitler ist Mutter einer Zweitklässlerin mit Down Syndrom. Sie würde sich wünschen, dass das Projekt auch geistige Behinderungen einbezieht. "Für Johanna kann eine einfache Plusaufgabe unlösbar sein. Damit das die anderen besser verstehen, könnte man mal Hieroglyphen an die Tafel malen und die Kinder fragen, was denn da steht."

Immer wieder wechseln die acht Klassen die Stationen, fahren in Rollstühlen, lernen das Gehörlosenalphabet kennen und die Braillleschrift (Blindenschrift). Für Schulleiterin Chirstiane Gierke ist das Projekt eine wirkliche Bereicherung: "Gerade wir als Inklusionsschwerpunktschule sind täglich mit dem Thema Behinderung konfrontiert. Für unsere Kinder hier ist der Umgang mit gehandicapten Mitschülern zwar Alltag, aber man kann sie nicht genug sensibilisieren."

Petra Winke ist blind. Rund zehn Erstklässler sitzen vor ihr. Kindgerecht erklärt sie, wie Blindenschrift funktioniert, lässt ihre Uhr die Uhrzeit sprechen und zeigt, wie sie ihren Blindenstock optimal einsetzt. "Hier ist ein Hindernis", sagt sie, während sie gegen ein Tischbein schlägt und weicht geschickt aus. "Habt ihr denn noch Fragen an mich?", will Petra Winke zum Schluss wissen. Ein kleiner Junge hebt aufgeregt die Hand. Als er merkt, dass sie nicht darauf reagiert, platzt es aus ihm heraus. "Wie erkennst du denn, dass da Hunde-AA auf der Straße liegt?"

(dani)
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