Interview Frank Gennes "Füttern weckt Interesse an Vögeln"

Hilden · Frank Gennes, Naturschutzexperte des Naturschutzbundes (NABU), zum Bestand der Singvögel.

 Frank Gennes sieht in der Fütterung einen pädagogischen Aspekt.

Frank Gennes sieht in der Fütterung einen pädagogischen Aspekt.

Foto: rm-

Herr Gennes, viele Menschen meinen, man sollte Vögel das ganze Jahr über füttern und nicht nur bei Eis und Schnee. Stimmt das?

Gennes Hier scheiden sich die Geister. Einige plädieren für die Ganzjahresfütterung, da in unseren Städten das natürliche Nahrungsangebot für Wildvögel immer geringer geworden ist. Andere empfehlen nur die Monate November bis Februar. Wiederum andere lehnen jede Form der Fütterung als menschlichen Eingriff in den Naturhaushalt ab und setzen auf die "natürliche Auslese" im Winter.

Und was sagt der Nabu?

Gennes Aus unserer Sicht ist das Füttern keine geeignete oder vorrangige Maßnahme gegen eine zunehmend naturfremde Umwelt. Jeder Vogelfreund muss selbst entscheiden, wie und womit er seinen Beitrag leisten möchte. Grundsätzlich ist eine Vogelfütterung aber unter naturpädagogischen Gesichtspunkten empfehlenswert: So wird auch bei jungen Menschen das Interesse an der heimischen Tierwelt und an der Vogelkunde im Speziellen geweckt.

In Baumärkten und Gartencentern gibt es ein reichhaltiges Futterangebot - von der Erdnuss bis zum Talgknödel, von der Hirse bis zum Sonnenblumenkorn. Wenn man füttert, was ist dann am besten?

Gennes Um sowohl Körnerfresser wie Meisen, Finken und Sperlinge als auch Weichfutterfresser wie Rotkehlchen, Heckenbraunellen, Drosseln oder Zaunkönige zu versorgen, ist eine bunte Mischung aus Sonnenblumenkernen, Erdnüssen und Hanf sowie Rosinen, Haferflocken und Kleie zu empfehlen. So kann sich jede Vogelart ihre bevorzugte Nahrung aussuchen. Gemische aus Fett und Samen sind insbesondere bei Meisen beliebt (Meisen-Knödel), Drosseln lieben Früchte.

Im Vogelhäuschen bleiben die Körner nicht immer ganz trocken. Macht das den Vögeln etwas?

Gennes Die nahezu wartungsfreien Futterspender (Futtersilos) sind den herkömmlichen Futterhäuschen vorzuziehen. Wenn Futterspender richtig gebaut und angebracht werden, wird das Futter auch bei starkem Wind, Schnee oder Regen nicht durchnässt und so das Verderben oder Vereisen der Nahrung verhindert. Bei Futterspendern können die Tiere ihr Futter auch nicht mit Kot verschmutzen, was der Übertragung und Ausbreitung von Krankheitserregern entgegenwirkt. Sollte man dennoch herkömmliche Futterhäuschen verwenden, reinigt man diese am besten regelmäßig mit heißem Wasser und legt täglich nur wenig Futter nach.

Was, wenn man seit Wochen Vogelfutter auslegt und Knödel aufhängt und es kommt trotzdem kein Vogel geflogen?

Gennes Immer wieder kann es passieren, dass eine noch gut gemeinte Futterstelle von den Vögeln kaum oder gar nicht angenommen wird. In diesem Fall empfiehlt es sich, einmal einen anderen Standort auszuprobieren. Vögel achten bei der Nahrungsaufnahme auf Sicherheit. Mitunter stört die Katze des Nachbarn. Bevor eine Futterstelle aber überhaupt von der Vogelwelt angenommen wird, wird sie erst aus sicherer Entfernung begutachtet.

Oder stören die Wildtauben?

Gennes Wildtauben wie die Ringeltaube gehören genauso wie die beliebten Kleinvögel zur heimischen Fauna. Als Nahrungskonkurrent ist sie immer Teil des Vogelalltags, unabhängig davon, ob man Futterstellen anbietet oder nicht. Außerhalb der Brutsaison sind viele Vögel nicht immer sehr standorttreu, daher kann es durchaus sein, dass man einige Arten wochenlang gar nicht beobachtet.

Welche Gartenvögel bleiben eigentlich den Winter über hier? Und was kann man für sie tun, damit sie überleben und sich vermehren?

Gennes Die Besiedlung von Städten und die Erderwärmung haben dazu geführt, dass immer mehr Zugvögel nur kürzere Strecken ziehen oder sogar zu Standvögeln werden. Dadurch haben wir in Garten- und Parkanlagen ganzjährig eine bunte Mischung aus Singvögeln und diversen Rabenvögeln. Hinzu kommen noch einige Taubenarten und Spechte. Diese "Kulturfolger" sind in aller Regel allerdings noch nicht in ihrem Bestand gefährdet.

Und die Feldvögl?

Gennes Um sie steht es schwieriger, da sie unsere Gärten meiden. Für den Schutz einer artenreichen Vogelwelt ist die Erhaltung bzw. Schaffung von naturnahen Lebensräumen entscheidend.

Und wie sehen die aus?

Gennes Der Nabu empfiehlt den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Schneckenkorn sowie die Anpflanzung von Vogelnährgehölzen wie Holunder oder Eberesche, deren Früchte als Nahrung dienen, so wie Berberitze oder Stechpalme, deren Dornen oder Stacheln die Nester der Heckenbrüter vor Fressfeinden schützen. Alte Bäume mit Nisthöhlen, gerne auch in Ergänzung durch künstliche Nisthilfen, sind wichtig. Förderlich sind ferner Flächen, auf denen Wildkräuter als Futterpflanzen geduldet werden. Naturnahe Lebensräume sind aus Sicht des Natur- und Artenschutzes wichtiger als jede Vogelfuttermischung.

ISABEL KLAAS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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