Hilden/Haan Gefallen für "Kaiser und Vaterland"

Hilden/Haan · Im Blickpunkt des Volkstrauertags steht diesmal der 1. Weltkrieg. 700 Hildener und 300 Haaner ließen 1914-18 ihr Leben.

 Soldaten stellen sich vor der Kaserne zum Gruppenbild auf, bevor es an die Front geht.

Soldaten stellen sich vor der Kaserne zum Gruppenbild auf, bevor es an die Front geht.

Foto: Gruitener Archiv

Der erste Gefallene des Ersten Weltkriegs aus Hilden war der "Dragoner Brückmann". Er starb am 14. August 1914 auf Patrouille in Mülhausen/Elsass. Rund 700 Soldaten aus Hildener fielen im Ersten Weltkrieg, schätzt Stadtarchivar Dr. Wolfgang Antweiler. Hilden hatte damals weniger als 20 000 Einwohner. Fritz Felder überlebte das Gemetzel, das vor 100 Jahren begann und vier lange und furchtbare Jahre dauerte. Daran erinnert morgen der Volkstrauertag. Sein Enkel (75), der den selben Namen trägt, hat ein Foto seines Opas gefunden und dem Stadtarchiv zur Verfügung gestellt. Es zeigt einen jungen Mann in Uniform. Er war bei der Infanterie in Frankreich eingesetzt - und überlebte das Inferno. Als er 1943 starb, war sein Enkel fünf Jahre alt. Sein Großvater habe nie über das gesprochen, was er an der Front erlebte. Das war typisch, weiß Antweiler, Leiter des Hildener Stadtarchivs: "Kinder und Ehefrauen haben nicht gewusst, was auf dem Feld wirklich passiert ist."

Seit Jahrhunderten werden Kriege geführt. Aber der Erste Weltkrieg war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Wegen der geschätzt 17 Millionen Opfer. Weil es in der Tat erstmals ein weltweiter Krieg war: Gekämpft wurde nicht nur in Europa, sondern auch im Nahen Osten, in Afrika, Ostasien und auf den Weltmeeren. Und weil zum ersten Mal in der Geschichte maschinell getötet wurde, erklärt der Archivar: mit Maschinengewehren, Panzern, Giftgas, Kampfflugzeugen.

Auch Haan (damals 10 000 Einwohner) zahlte einen hohen Blutzoll. Rund 300 Männer starben den "Heldentod für Kaiser und Vaterland", schätzt Dr. Reinhard Koll vom Bergischen Geschichtsverein: Die Jüngsten waren gerade 18, die Ältesten 44. Während an der Front gestorben wurde, hungerten viele in der Heimat. "Schon kurz nach Kriegsbeginn setzt der Mangel ein", weiß Antweiler. Milch, Mehl, Salz, Zucker, Fleisch, Schmalz und Brot gab es bald nur noch auf Lebensmittelkarten. 1916 wurden auf dem Fußballplatz auf dem Gelände des Schulzentrums Holterhöfchen Kartoffeln angebaut.

In Haan stellt die Stadt anfangs 125 000 Mark für Familien zur Verfügung, deren Männer und Ernährer einberufen worden waren. Später setzten Vermieter zahlungsunfähige Kriegerfrauen und -witwen samt Kindern wegen Mietrückständen auf die Straße, hat Koll recherchiert. Im Frühjahr 1918 fordert eine Grippe-Epidemie in Europa Millionen Tote. Auch in Haan war jeder Einwohner inzwischen so krank, dass er eigentlich eine besondere Lebensmittelration gebraucht hätte.

Viele Jüngere interessieren sich heute, was mit ihren Vorfahren und Verwandten im Ersten Weltkrieg geschehen ist. Antworten zu finden war bislang mühsam und aufwendig. Das hat sich geändert. Der Verein für Computergenealogie hat mit Hilfe von 800 Freiwilligen - darunter auch Dirk Westerweg vom Arbeitskreis Familienforschung Haan - mehr als 8,5 Millionen Datensätze aus den Verlustlisten des Ersten Weltkriegs (31 000 Zeitungsseiten) erfasst und ins Internet gestellt. Marie-Luise Carl, Stadtarchivarin in Mettmann, ist Vorsitzende des Vereins und hat das Mammut-Projekt mit betreut. Auf diesen Verlustlisten wurden nicht nur die Gefallenen, sondern auch alle verwundeten, vermissten oder in Gefangenschaft geratenen Soldaten verzeichnet. Deshalb sind sie eine wichtige Quelle für die Familienforschung.

Wer in die Suchmaske "Hilden" eingibt, erhält 1622 Einträge, bei "Haan" 1146. Auch über die Internet-Datenbank des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge kann man nach dem Verbleib beziehungsweise der Grabstätte von deutschen Kriegstoten suchen. Über 3,1 Millionen Verlustmeldungen sind derzeit abrufbar. Die Datenbank wird laufend ergänzt. Die Computer-Genealogen haben nicht nur die Verlustlisten des Ersten Weltkriegs, sondern auch alte Adressbücher, Familienanzeigen, Grabsteine und Totenzettel erfasst.

Familienforscher Dirk Westerweg aus Haan hat noch einen Tipp: das genealogische Netz der Mormonen in Wuppertal (www.familysearch.org): "Weil Mormonen auch ihre Vorfahren taufen lassen können, haben sie ihre Familiengeschichte genau erforscht und Tausende von Kirchenbüchern erfasst. Auf diese Weise habe ich meine Vorfahren in Westpreußen gefunden." Westerweg hat seinen Stammbaum bis Anfang des 17. Jahrhunderts zurückverfolgt.

(RP)
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