Hilden/Düsseldorf Haftstrafen im Educon-Prozess gefordert

Hilden/Düsseldorf · Weil sie in der früheren Hildener Jugendeinrichtung an der Horster Allee Kinder misshandelt haben sollen, fordert die Staatsanwaltschaft bis zu vier Jahre Haft für die 44 Jahre alte Gruppenleiterin und ihre Mitarbeiter.

 Der Fall sorgte damals für Schlagzeilen. Entsprechend groß war der Andrang damals beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.

Der Fall sorgte damals für Schlagzeilen. Entsprechend groß war der Andrang damals beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.

Foto: wulf kannegießer

Mit bis zu vier Jahren Haft sollen eine Gruppenleiterin (44) und zwei Ex-Mitarbeiter der früheren Jugendeinrichtung Educon jetzt für schlimme Misshandlungen von behinderten Kindern bestraft werden. Das hat die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen das Trio vor dem Landgericht gefordert. Die Gruppenleiterin und ihr mit angeklagter Mann (55) sollen zudem mit einem fünfjährigen Berufsverbot belegt werden. Das Urteil soll Anfang April folgen.

Hintergrund Von 2006 bis 2008 gab es bei der Educon in Hilden, einer damaligen Tochter der evangelischen Graf-Recke-Stiftung, zwei von der Hauptangeklagten geleitete Wohngruppen, in denen autistische Kinder im Alter zwischen neun bis 15 Jahren laut Konzept in "wohnlich-familiärer Atmosphäre" und durch "positive Konfrontation körperlicher Nähe" behandelt und betreut werden sollten. 2010 wurde aber bekannt, dass es in den Gruppen unter Leitung der jetzt 44-Jährigen zu massiven Übergriffen auf die Kinder, rabiaten Misshandlungen und Demütigungen gekommen war. Die Educon wurde aufgelöst und in die Recke-Stiftung integriert.

Ermittlungen Extreme Praktiken der Erzieher waren auf Video dokumentiert worden. Die Auswertung dieses mehr als 200 Stunden umfassenden Materials dauerte etliche Jahre. Dann wurde gegen elf der Erzieher Anklage erhoben. Nur gegen fünf Verdächtige hat das Landgericht im Juni 2016 den Prozess eröffnet. Gegen zwei jener Ex-Educon-Betreuer wurden die Verfahren gegen Zahlungen hoher Geldauflagen eingestellt. Ob und wann gegen die übrigen sechs Verdächtigten verhandelt wird, steht noch nicht fest.

Wertung Der Staatsanwalt beschrieb, dass die autistischen Kinder unter Regie der Gruppenleiterin, ihres Mannes und einer engen Mitarbeiterin vielfach "ausgelacht, bespuckt, verhöhnt, mit Handtüchern am Kopf verhüllt, stundenlang fixiert, mit schmerzhaft verdrehten Armen durch Geschäfte geführt" worden seien, dass man den schreienden Opfern laut Videos sogar "mit Fingern auf die Augen gedrückt, sie mit Wasser bespritzt", mit schmerzhaften oder demütigenden Strafaktionen belegt und sie gezwungen hatte, "Gras zu essen". Der Staatsanwalt ging davon aus, dass das Grundkonzept der Gruppenleiterin wohl "gut gemeint" gewesen sei. "Aber das ist aus dem Ruder gelaufen", habe sich in ein "deutliches Ausleben von Macht gegenüber den Kindern" gesteigert.

Schlussvorträge Für die Taten der Ex-Gruppenleiterin forderte der Staatsanwalt vier Jahre Haft, für ihren Mann zwei Jahre. Beiden soll zudem für fünf Jahre jeglicher erzieherischer Umgang mit Kindern verboten werden. Ihre Mitarbeiterin soll zu 22 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt werden. Laut Staatsanwalt sollen aber jeweils sechs Monate dieser Strafen bereits als verbüßt angerechnet werden - im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer, die von den Angeklagten nicht verschuldet worden sei. Die Verteidigung sprach sich bei allen Angeklagten für Bewährungsstrafen aus.

Urteilstag Am 4. April will die Strafkammer nach neun Monaten Prozessdauer den Richterspruch und das Strafmaß für die drei Angeklagten verkünden. Vorher haben die Ex-Educon-Erzieher aber noch Gelegenheit, sich zu den Anklagevorwürfen zu äußern.

(RP)
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