Hilden "Helfer sind plötzlich selbst Betroffene"

Hilden · Bei dem Großbrand in der Nacht zu Sonntag an der Herderstraße erlitten drei Feuerwehrleute durch eine Stichflamme schwere Verbrennungen. Das schreckliche Unglück macht bundesweit Schlagzeilen, auch weil Feuerwehr-Chef Bernhard Janeck (58) am schwersten verletzt wurde.

Er soll noch im künstlichen Koma liegen, nach Verbrennungen dritten Grades am Kopf und an den Beinen. Den anderen beiden Verletzten geht es besser, ist zu hören. Einer hofft darauf, bald das Krankenhaus verlassen zu können, der Zweite ist offenbar schwerer verletzt.

In den sozialen Netzwerken und auf RP Online nehmen viele Menschen Anteil, zahlreiche Hildener haben auf der Feuerwache angerufen oder sind persönlich vorbeigekommen, berichtet Bürgermeisterin Birgit Alkenings. Eine schwere Situation für die 90 Freiwilligen und 50 Berufsfeuerwehrleute der Hildener Wehr, die weiter unter dem Eindruck der Ereignisse stehen. Das bestätigen Notfallseelsorger Jürgen Draht und Ex-Feuerwehrchef Lothar von Gehlen im Redaktionsgespräch.

"Dieses Feuer hat eine besondere Situation geschaffen", sagt Pfarrer Jürgen Draht. Der 58-Jährige war als Koordinierender Notfallseelsorger am Ort des Unglücks. "In dieser Nacht sind einige Feuerwehrleute selbst zu Betroffenen geworden." Das sei glücklicherweise selten und berge die Gefahr von schweren Schocks nicht nur bei Zeugen und Passanten - wie so oft -, sondern eben auch bei den Einsatzkräften. Daher habe man sich aufgeteilt: Eine Kollegin sei auf der Feuerwache gewesen, um die Zurückkehrenden in Empfang zu nehmen. Eine weitere sei zu Frau Janeck gefahren und eine Dritte in das Lager der DLRG-Jugend. Alle seien bis in den Sonntagmorgen im Einsatz gewesen. "Wir wurden vom PSU-Team des Kreises Mettmann verstärkt, das gute Arbeit leistet, die kaum jemand wahrnimmt", sagt Draht. PSU steht für "Psychosoziale Unterstützung", das Team besteht aus speziell geschulten Feuerwehrleuten aus dem ganzen Kreis Mettmann. Sie haben die Abschlussgespräche mit den Hildenern geführt.

Apropos wahrnehmen: Nun sei es wichtiger denn je, den Feuerwehrleuten, "die einen ganz großartigen Einsatz gezeigt haben, eine Riesenleistung", Wertschätzung entgegenzubringen. "Ihr Einsatz und ihre Arbeit müssen viel mehr gewürdigt werden!", sagt Draht, der seit dem Düsseldorfer Flughafenbrand 1996 als Notfallseelsorger arbeitet und mit Bernhard Janeck seit Jahrzehnten bekannt und befreundet ist.

Das gilt auch für Lothar von Gehlen, der bis 2012 Chef der Hildener Feuerwehr war. Der 62-Jährige ist aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Er hat Abstand, ist aber immer noch Teil der Feuerwehrfamilie und weiß genau, was in den Feuerwehrleuten und ihren Angehörigen vorgeht. "Das ist der schlimmste Vorfall seit 30 Jahren", sagt von Gehlen. "Die Gefahr ist immer da, man muss mit ihr umgehen. Meine Frau hat gesagt: Vor genau so einer Situation habe sie die ganzen Jahre Angst gehabt." Er als Leiter der Feuerwehr auch, gibt er zu: "Bei einem Einsatz kann alles passieren. Hauptsache, alle Einsatzkräfte kehren wohlbehalten auf die Wache zurück. Das ist das Wichtigste."

Die Stadt biete den Feuerwehrleuten Hilfe an, das Erlebte zu verarbeiten: "Das wird auch in Anspruch genommen." Feuerwehrleute täten sich mitunter etwas schwer, so wie derzeit im Licht der Öffentlichkeit zu stehen und über Erlebtes sprechen zu sollen. "Sie tun Gutes und reden nicht darüber", erklärt von Gehlen: "Sie sind im Grunde bescheiden, tun ihre Arbeit und möchten nicht im Vordergrund stehen."

Was können Anteil nehmende Hildener tun?

Im Moment bräuchten die drei verletzten Kameraden und ihre Angehörigen vor allem Ruhe, glaubt von Gehlen: "Die öffentliche Anteilnahme tut ihnen sicher gut." Die Stadt kümmere sich sehr um die Verletzten: "Später gibt es sicherlich noch Gelegenheit, sie bei der Genesung zu unterstützen." Ähnlich sieht es Pfarrer Draht. Es werde ein Nachsorge-Gespräch mit den Feuerwehrleuten geben. Und die dringende Aufforderung, sich die Bilder nicht immer wieder im Internet anzusehen, sondern mit dem Geschehen abzuschließen.

(RP)
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