Auf Ein Wort Annette Braun-Wolf Herztraining

Hilden · Der Arzt hat mir dringend geraten, mein Herz zu trainieren," erzählt mir die freundliche Dame, die ich zum Geburtstag besuche. "Jetzt nehme ich immer die Treppe statt den Aufzug und versuche überhaupt, mich ganz viel zu bewegen".

 Annette Braun-Wolf ist Pfarrerin an der Friedenskirche in Hilden.

Annette Braun-Wolf ist Pfarrerin an der Friedenskirche in Hilden.

Foto: ola

Das ist bestimmt gut, denke ich. Auf dem Weg nach Hause gehen meine Gedanken aber noch einen Schritt weiter: Das Herz trainieren - könnte man das nicht noch in einem viel weiteren Sinne verstehen? Herzen können ja sehr unterschiedlich reagieren, und oft meinen wir, selbst keinen Einfluss darauf zu haben, was unser Herz uns fühlen lässt. Bei manchen Menschen geht uns einfach das Herz auf, wenn wir ihnen begegnen - meist bei den freundlichen, aufgeschlossenen, bei denen, die eine besondere Lebendigkeit und Energie ausstrahlen. Bei anderen, mit denen wir schlechte Erfahrungen gemacht haben, ist es, als ob eine Tür zufällt, unsere Herzenstür. Solchen Menschen möchten wir unser Herz garantiert nicht öffnen. Unser Herz verschließt sich, aber können wir es auch wieder selbst öffnen? An mir selbst merke ich: Bin ich einem mir eher unliebsamen Menschen gegenüber erst mal engherzig geworden, werde ich auch schnell ungerecht und nehme positive Signale gar nicht mehr wahr. Aber wie viele Lebensmöglichkeiten nehme ich mir selbst auch damit!

In diesen Tagen verschließen auch Menschen, die ihr Herz im vergangenen Jahr den vielen aus Kriegs- und Krisengebieten neu Angekommenen weit geöffnet haben, es wieder aufgrund der schlimmen Ereignisse der Silvesternacht. Dabei verurteilen die meisten Menschen, die vor Angst und Gewalt aus ihrer Heimat geflohen sind und bei uns Zuflucht gefunden haben, diese Vorgänge selbst klar und deutlich. Sie wollen, genau wie wir, ein Leben in Sicherheit und Frieden und eine Perspektive für ihre Kinder. Hilfreich wäre in dieser Situation ein klarer, nüchterner Blick auf die aktuellen Herausforderungen, ein besonnenes und sorgfältiges Suchen nach Lösungen bei einem weiterhin weit geöffneten Herzen.

Nach biblischem Verständnis widersprechen sich ein kühler Kopf und ein weites Herz nicht - im Gegenteil: die Bibel sieht im menschlichen Herzen den Ort der Vernunft, des Verstehens, des Gewissens und der Einsicht. Der weise König Salomo bat Gott um ein hörendes Herz, das auf Gottes Weisungen vertraut und offen ist für gute, weiterführende und segensreiche Ideen. Ein solch weises und verständiges Herz wünsche ich mir und vielen meiner Mitmenschen auch. Und die Bereitschaft, mein enges Herz immer wieder zu trainieren, ob es sich - ist die Tür einmal zugefallen - nicht wieder ein Stück öffnen kann.

(RP)
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