Auf Ein Wort Frank Weber Heute ist vieles so wie zu Luthers Zeiten

Hilden · Nach den ersten Wochen dieses Jahres frage ich mich manchmal: was würde Martin Luther zu dem Reformationsjubiläum sagen? Oder die anderen Botinnen und Förderer dieser Bewegung, Reichsherren, Ordensleute, Handelsreisende, Verleger und Drucker, Frauen und Männer, ohne die die Reformation nicht möglich gewesen wäre.

Auf Ein Wort Frank Weber: Heute ist vieles so wie zu Luthers Zeiten
Foto: Kirchenkreis Mettmann

Vieles käme ihnen bekannt vor: die Angst und die Sorge vieler Menschen vor der nahen Zukunft. Die nervöse Unruhe in uns und um uns herum. Reformversuche ohne Veränderungen, Skandale, Intrigen und Machtkämpfe. Und das Geschäft mit der Angst. Der Missbrauch des Glaubens und der Religion heute wie im Mittelalter!

Was Martin Luther oder die anderen zu diesem oder jenem aktuellen Thema sagen würden? Vielleicht würden sie erst einmal nur zuhören, dem Volk "auf´s Maul schauen", wie Luther es gesagt hat. Das Wort hinter den Wörtern suchen. Die Flut der Wörter begrenzen. Das Smartphone beiseitelegen. Auf das achten, was die Menschen wirklich bewegt. Welches Gesicht steckt hinter dem Profilbild? Welcher Mensch steckt hinter dem Account? Was sind die Dinge, die dich knechten?

500 Jahre Geschichte der Reformation werden in diesem Jahr in Deutschland und auf der ganzen Welt gefeiert. Viele Veranstaltungen, Events, Gottesdienste und Kulturveranstaltungen sind geplant und werden dieses Jahr bereichern. Im Unterschied zum letzten Jubiläum vor 100 Jahren wird es nicht antikatholisch gefeiert, sondern ökumenisch, nicht als nationales Heldengedenken eines Deutschen, sondern als inzwischen weltweite Bewegung von Menschen verschiedener Hautfarben und ethnischen Prägungen und das ist gut so!

Worum geht es?

Erstens darum, die Bewegung der Reformation nüchtern zu betrachten, die Schattenseiten und Nebenwirkungen der Reformationsgeschichte anzuschauen. Es war keine Triumph-Geschichte, sondern der mühsame Weg von Konflikten durch Irrwege und Widersprüche zur Verständigung. Reformation liegt nicht in der Ferne hinter uns, sondern immer wieder in der Nähe vor uns. Zweitens darum, die Vielfalt von Meinungen und Gedanken, die Freiheit von persönlichen und religiösen Überzeugungen auszuhalten und sie als Grundwert zu verteidigen. Reformation bedeutet nicht die Veränderungen der Anderen zu fordern, sondern Veränderung bei sich selbst beginnen zu lassen.

Drittens darum, sich überraschen zu lassen von außen, wie zum Beispiel bei der Aktion unseres Kirchenkreises "Augenmerk - Kirche neu sehen". Wir öffnen unsere Kirchräume für Künstler, Studierende, Kulturschaffende, um sie für einen begrenzten Zeitraum neu gestalten zu lassen, ohne Vorgaben und Zensur.

Reformation heute bedeutet, sich nicht ständig neu erfinden und bestätigen zu müssen. Es bedeutet vielmehr wahrzunehmen und zu fördern, was damals und heute Menschen in der Freiheit eines Christenmenschen schaffen und beitragen für die Kirchen und das Gemeinwohl!

Was würde Luther heute sagen oder wollen? Sicherlich nicht, dass wir zu jedem uns passenden Anlass ein Lutherzitat herausziehen. Sondern, dass wir, anders als vor 100 Jahren, nicht ihn in den Mittelpunkt stellen, sondern das beständige Wirken eines gnädigen Gottes in einer gnadenlosen Welt.

FRANK WEBER, SUPERINTENDENT DÜSSELDORF - METTMANN

(RP)
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