Reiner Nieswandt "Kirche ist in einer Epoche des Umbruchs"

Hilden · Vor gut einem Jahr entschied Kardinal Woelki, dass Reiner Nieswandt auch die Pfarrstelle in Hilden besetzt. Eine erste Bilanz.

 Pfarrer Reiner Nieswandt (r.) mit dem Verwaltungsleiter Hans Georg Herrmann. Auch Haan bekommt bald eine Verstärkung.

Pfarrer Reiner Nieswandt (r.) mit dem Verwaltungsleiter Hans Georg Herrmann. Auch Haan bekommt bald eine Verstärkung.

Foto: foto ola

Herr Nieswandt, seit gut einem Jahr sind Sie als Pfarrer zunächst für Haan und jetzt auch für Hilden für fünf Kirchen und 28.000 Katholiken in beiden Städten zuständig. Ist dies eine zu bewältigende Aufgabe?

Nieswandt Es gelingt mir, die anstehenden Aufgaben gut zu bewältigen, weil in beiden Städten ein qualifiziertes Team von pastoralen Mitarbeitern, Angestellen der Gemeinden und vor allem eine große Zahl ehrenamtlich engagierter Menschen die Herausforderungen sieht und mich nach Kräften unterstützt.

Wie lang ist Ihr Arbeitstag?

Nieswandt In der Regel stehe ich so früh auf, dass ich viel "Bürokram" schon vor dem ersten Termin am Morgen bewältigen kann. Aber auch das geistliche Leben kommt bei mir nicht zu kurz. Die erste Stunde am Morgen gehört dem Gebet, dem Gespräch mit Gott. In der Regel stehe ich um 6 Uhr auf, wenn ich keine frühen Termine habe, auch mal später. Abends gehe ich meistens nach 23 Uhr ins Bett, gönne mir aber auch einen kleinen Mittagsschlaf, was im Übrigen erstens effizient und zweitens sehr gesund ist!

Mit welchen Vorsätzen und Idealen sind Sie Ihr Amt in Hilden angetreten? Welche davon konnten Sie umsetzen, welche noch nicht?

Nieswandt Ein Sprichwort sagt: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Scherz beiseite: Mir ist es weiterhin wichtig, an den persönlichen Haltungen von Respekt, Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe zu arbeiten. Dann gelingt auch die Arbeit bzw. sie misslingt vor allem da, wo diese Haltungen nicht praktiziert werden. Wir wissen alle darum, dass die Katholische Kirche sich in einer Epoche des Umbruchs befindet, wie zuletzt zu Beginn der Reformation vor 500 Jahren. Da ist es wichtig, Unsicherheit und Fragen - eigene, wie die der Menschen in den Gemeinden - zuzulassen und mit den Menschen gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen des Tages zu geben. Dass es nicht mehr so weitergehen kann, wie in den vergangenen 150 Jahren, spüren wir immer mehr. Deswegen kann es auch kein Zurück geben zu einer Gestalt von Kirche, wie sie im 19. Jahrhundert in Deutschland existierte.

Welche Erwartungen setzen die Gläubigen in Sie? Haben die Haaner andere Bedürfnisse als die Hildener?

Nieswandt Sicherlich gibt es unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen in Hilden und Haan. Die Haaner kennen mich schließlich schon seit fast sieben Jahren und haben gelernt, mit meinen Macken umzugehen. Es wird sicherlich nicht zur "Vereinheitlichung" zwischen den Gemeinden kommen, sondern wir werden versuchen, das vor Ort zu entdecken und umzusetzen, was gerade dran ist, und das wird z.B. in Gruiten sicherlich anders ausfallen als im Hildener Süden in St. Konrad.

Haben Sie überhaupt noch Zeit für die Seelsorge?

Nieswandt Sehr viel Arbeitszeit investiere ich in die Gespräche mit Gruppen und Gremien, Teambildungsprozesse und die Arbeit mit den Multiplikatoren. Da kommt die klassische Einzelseelsorge oft zu kurz, aber gelegentlich gibt es immer noch diese "Höhepunkte", wo ein gutes Gespräch mit einem Schwerkranken oder anders Notleidenden zum Geschenk wird. Das sind dann die kleinen Juwelen des Alltags.

Ist der neue Verwaltungsleiter für Sie eine Entlastung?

Nieswandt Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Hilden mit Hans Georg Herrmann (seit dem 1. Januar) und Jutta Mielke-Hatun (ab 1. September) in Haan zwei Verwaltungsleiter haben, mit denen ich eng und vertrauensvoll zusammenarbeite und dabei spürbare Entlastung vor allem bei der Führung der kirchlichen Angestellten (rund 150 in Hilden und Haan) erfahre. Die Kernaufgabe der professionellen Seelsorger sehe ich heute vor allem darin, die Menschen zu ermutigen, zu befähigen und zu begleiten, ihre eigenen Wege im Glauben zu entdecken. Alles andere führt zur Entmündigung der Menschen und ist - auch angesichts knapper werdender Ressourcen - nicht zukunftsfähig.

Sie haben in Haan viel ins Rollen gebracht - die Flüchtlingshilfe genauso wie die Haaner Arbeitskreise. Können Sie dies alles noch in ausreichender Form begleiten?

Nieswandt Ich habe selber gar nicht so viel "ins Rollen" gebracht. Vielleicht war ich, vor allem bei Prozessen in Haan vor meinem Umzug nach Hilden, eher so etwas wie ein Katalysator, der schon vorhandene Themen und Menschen in einem Prozess zusammenbringt. Da ist sicherlich einiges gelungen, anderes wieder eingeschlafen. Aber wenn Themen wieder aktuell werden, ist es wichtig, die Aufmerksamkeit dafür zu haben. Ob mir dies im Haan-Hildener Großbereich gelingt, kann ich derzeit nicht sagen.

Welche Aufgaben machen Ihnen besonders große Freude?

Nieswandt Mir macht es weiterhin viel Freude, sofern es die Zeit zulässt, in der Hildener Fußgängerzone oder samstags vormittags in der Haaner Innenstadt unterwegs zu sein und die Möglichkeit zur persönlichen, spontanen Begegnung mit den Menschen zu nutzen. Da geschieht etwas, was in einer Sitzung so nicht möglich ist.

Welche Projekte stehen für Sie im laufenden Jahr noch an?

Nieswandt In Hilden ebenso wie in Haan besteht die Hauptaufgabe darin, zusammen mit den Menschen neue Wege zu entdecken und dann auch gemeinsam zu gehen. Erzbischof Kardinal Woelki nennt dies den "pastoralen Zukunftsweg". In Haan gibt es dazu die "Zukunftswerkstatt", in Hilden den "Emmausweg", jeweils von den Pfarrgemeinderäten initiiert. Entscheidend wird sein, dass wir uns weiter von der Haltung verabschieden, "für" die Menschen etwas zu tun, sondern stattdessen mit ihnen. Nur dann hat kirchliches Leben vor Ort noch eine Bedeutung für Gegenwart und Zukunft.

DIE FRAGEN STELLTE RP-REDAKTEURIN ALEXANDRA RÜTTGEN.

(RP)
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