Hilden Ohne jeden Hass: Briefe von Zwangsarbeitern

Hilden · 151 verschleppte Frauen und Männer antworteten auf einen Fragebogen der Stadt. Der Arbeitskreis Stolpersteine hat sie ediert.

Hilden: Ohne jeden Hass: Briefe von Zwangsarbeitern
Foto: Staschik, Olaf (OLA)

Diese Briefe sind manchmal kaum auszuhalten, weil sie ganz lakonisch von unendlich viel Leid erzählen. Leid, das diesen jungen Frauen und Männer aus Osteuropa im Namen Deutschlands von 1939 bis 1945 angetan wurde. Sie wurden verschleppt und zur Arbeit gezwungen. 3700 Zwangsarbeiter gab es allein in Hilden, das damals kaum 15 000 Einwohner zählte.

Vor 15 Jahren beschloss der Bundestag eine Stiftung mit der deutschen Wirtschaft, um ehemalige Zwangsarbeiter zu entschädigen. Der Hildener Stadtrat stellte 100 000 Mark für humanitäre Hilfen und 10 000 Mark für die wissenschaftliche Aufarbeitung bereit. Dabei half ein glücklicher Umstand. Im Stadtarchiv hatte sich die Zwangsarbeiter-Kartei erhalten. Stadtarchivar Wolfgang Antweiler entwickelte einen Fragebogen und schrieb die ehemaligen Zwangsarbeiter über internationale Organisationen an. 151 Briefe kamen zurück. Der Arbeitskreis Stolpersteine hat diese Briefe jetzt in einem Band zusammengefasst. Auf dem Cover prangt das Bild von Nadeshda Iwanowna A. Die 17-jährige Russin musste in Hilden Schotter für die Eisenbahn schlagen und Güterzüge ausladen. "Vielen, vielen Dank, dass Sie mich und meine Sklavenarbeit nicht vergessen haben", schrieb sie fast 60 Jahr später: "Als ich den ersten Brief bekommen hatte, weinte ich. Ich freue mich, dass es solche gutherzigen Leute auf der Welt gibt." Nadeshada bekam von der Stadt Hilden 300 Mark - damals fast ein Jahreseinkommen in der Ukraine. "Es lohnt sich, die Briefe zu lesen", sagt Anita Ellsiepen vom Arbeitskreis Stolpersteine: "Wir glauben, dass es heilsam ist, sich zu erinnern." "In keinem Brief hat es nicht ein einziges Wort des Hasses gegeben": Das hat Altbürgermeister Günter Scheib besonders bewegt. Die Briefe dokumentieren auch, dass es damals auch gute Menschen in Hilden gab, die die Zwangsarbeiter wie Mitmenschen behandelten. "Der Bäcker war sehr gutherzig. Er gab mir immer ohne Geld ein Brot oder Brötchen", berichtet Michail Romanovitsch L. (16), dessen Bild auf der Rückseite des Buches zu sehen ist.

"Wir wollten die Opfer zu Wort kommen lassen, ihnen eine Stimme und wenn möglich auch ein Gesicht geben", erklären Karin Marquardt, Peter Paul, Monika und Harm Krieger gemeinsam für ihre Mitstreiter im Arbeitskreis Stolpersteine in Hilden. Die Stadt hat 50 Exemplare gedruckt. Der Arbeitskreis will das Buch ehemaligen Zwangsarbeitern und deren Angehörigen zukommen lassen. Exemplare gehen auch an die Hildener Schulen. Lesen kann man das Buch "Damit eine Spur in der Geschichte bleibt - Zwangsarbeiterbriefe" in der Stadtbücherei sowie im Stadtarchiv. Der Band beschließt die 15-bändige Dokumentation "Nationalsozialismus in Hilden 1918-1945", die Gerd Müller herausgegeben hat. "Der Arbeitskreis Stolpersteine zeigt, wie großartige ehrenamtliche Arbeit die Stadt Hilden nach vorne bringt", bedankt sich Bürgermeisterin Birgit Alkenings.

(RP)
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