Prozess um Säureanschlag in Hilden Opfer: "Ich habe angefangen zu brennen"

Düsseldorf/Hilden · Das Opfer des Säureanschlags in Hilden wird für immer durch Narben gezeichnet sein, so das Urteil der behandelnden Ärzte. Die 21-Jährige schilderte am Montag unter Tränen von einem monatelangen Martyrium und erinnert sich an den Tattag.

Säureanschlag in Hilden: Prozess beginnt
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Säureanschlag in Hilden: Prozess beginnt

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Mit einer Halskrause, die sie zur Stützung des verätzten Halsgewebes tragen muss, und in heller Bluse ist die 21-Jährige am Montag erstmals seit der Tat dem Ex-Freund wieder begegnet. Es gehe ihr nicht besonders gut, sagte sie.

In dem Verfahren müssen sich der Ex-Freund der Frau und dessen mutmaßlicher Handlanger wegen schwerer Körperverletzung verantworten. Beim Prozessauftakt in der vergangenen Woche hatte der 23-jährige Auftraggeber des Säureanschlags keine Reue gezeigt. Er wollte sich schweigend bei dem Prozess verteidigen, hatte seine Verteidigerin angekündigt. Zudem widerrief er alle früheren Aussagen zur Tat und zur Vorgeschichte.

Monatelanges Martyrium

Die 21-jährige Frau beschrieb ein monatelanges Martyrium seit ihrer Trennung von dem 23-Jährigen. Aus Eifersucht habe er sie verprügelt, sie mehrfach entführen wollen und bedroht, falls sie eine neue Beziehung anfängt: "Dann bringe ich dich um, prügele dich, bis du behindert bist, dass dich keiner mehr will!"

Selbst ein Wortwechsel mit dem Mann in der Pommesbude habe gereicht, um bei ihrem damaligen Freund einen Wutausbruch samt Tätlichkeiten auszulösen. Allein habe sie das Haus nur zur Arbeit verlassen dürfen. Trotz gerichtlichem Kontaktverbot habe er sie bedrängt, drangsaliert und ihr gedroht, sie so zuzurichten, "dass dich keiner mehr anguckt".

Und doch sei sie am Tattag arglos gewesen, als ein Fremder bei ihrer Oma klingelte, etwas murmelte — und der 21-Jährigen plötzlich mit mehreren Ausholbewegungen die Säure über Kopf, Hals und Schultern goss. Laut Geständnis sagte der 19-Jährige dabei: "Ich habe da ein Geschenk für Dich!" Er habe Ende Dezember vergangenen Jahres vor der Wohnungstür gestanden, etwas genuschelt und ihr ein Gefäß entgegengehalten, berichtete die junge Frau. Als sie die Hand danach ausgestreckt habe, habe er sie mehrfach mit einer Flüssigkeit bespritzt: "Der hat mit Hass geschüttet, als hätte ich ihm etwas angetan."

"Ich habe angefangen zu brennen"

Die Frau erinnerte sich am Dienstag weinend nur noch an ihr allererstes Gefühl: "Ich habe angefangen zu brennen!" Sie sagte: "Ich habe gesehen, wie meine Haut angefangen hat, sich aufzulösen. Ich habe geschrien." In der Duisburger Spezialklinik habe sie zunächst in keinen Spiegel schauen dürfen.

Noch heute müsse sie sich stundenlang zurechtmachen, bevor sie das Haus verlasse, und fühle sich von vielen Leuten "angegafft". "Mein Leben war schon drei Jahre eingeschränkt durch ihn. Jetzt bin ich es wieder." Drei Prozent ihrer Haut wurden verätzt. Tiefe Narben trägt sie im Gesicht, am Hals und den Händen. Monatelang muss sie die Sonne meiden, Stützverbände tragen und wird wohl trotz weiterer OP‘s lebenslang durch die Säurenarben entstellt bleiben.

Urteil Ende Juni erwartet

Vor Prozessbeginn hatte sich der 23-Jährige mit einem Brief bei seiner Ex-Freundin entschuldigt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Frau nach bisherigem Stand wohl dauerhaft entstellt bleiben wird, und hat deshalb Anklage wegen schwerer Körperverletzung erhoben. Dafür sind bis zu zehn Jahre Haft als Höchststrafe möglich.Im Prozess wird Ende Juni ein Urteil erwartet.

Aus verschmähter Liebe hatte der 23-jährige Auftraggeber laut Anklage seinen mitangeklagten Kumpan kurz vor Silvester 2012 dazu angestiftet, die Frau an deren Wohnungstür als angeblicher Besucher mit rund einem Viertelliter der Säure zu übergießen. Knapp ein Jahr war der Langenfelder mit dem späteren Opfer zusammen. Für den Langenfelder kurdischer Abstammung war schon Monate vor der Säuretat vom Amtsgericht eine strikte Kontaktsperre verhängt worden, um die 23-Jährige vor weiteren Nachstellungen zu schützen.

(anch)
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