Hilden Seniorenheime erhöhen Pflegesätze

Hilden · Etwa 40 Prozent der Bewohner der Seniorendienste Stadt Hilden sind bereits zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen.

 Die neuen Pflegesätze betreffen alle drei: Geschäftsführer Holger Reinders, Mitarbeiterin Jolanta Wystub und Beiratsvorsitzende Edith Schnabel (v.l.).

Die neuen Pflegesätze betreffen alle drei: Geschäftsführer Holger Reinders, Mitarbeiterin Jolanta Wystub und Beiratsvorsitzende Edith Schnabel (v.l.).

Foto: rm-

2402 Euro kostet ein Einzelzimmer im Seniorenzentrum Stadt Hilden am Erikaweg im Monat - ohne Pflegestufe. Mit Pflegestufe 1 steigt der Preis auf 2903 Euro. Als Zuschuss von der Pflegekasse gibt es 1023 Euro. Diese neue Pflegesätze gelten ab 1. August. Je nach Pflegestufe können die Preise auf bis zu 4495 Euro für Härtefälle, Pflegebedürftige mit besonderem Pflegeaufwand, steigen (Zuschuss von der Pflegekasse: 1918 Euro).

Das können sich nur noch die wenigsten Selbstzahler leisten. Rund 40 Prozent der Bewohner müssen zusätzlich Sozialhilfe beantragen, schätzte Geschäftsführer Holger Reinders. Je nach Vermögenslage holt sich das Amt die Unterstützung ganz oder teilweise von den Angehörigen zurück.

Die neuen Pflegesätze haben die Pflegeheime mit der AOK Rheinland und dem Landschaftsverband Rheinland im Auftrag des Kreises Mettmann als Sozialhilfeträger ausgehandelt. Herausgekommen ist zwar eine Erhöhung. Zufrieden ist Reinders damit aber nicht. Er hat Mehrkosten geltend gemacht: 245 000 Euro Tariferhöhung für die Mitarbeiter 2014 und 2015. Gut 40 000 Euro bei Lebensmitteln. 42 000 Euro mehr für Energie, Abwasser, Gebühren. "Berücksichtigt wurde das aber nur zum Teil", klagt der Geschäftsführer der beiden einzigen städtischen Senioreneinrichtungen im Kreis Mettmann: "Trotz Erhöhung der Pflegesätze fehlen uns allein 14 000 Euro bei den Sachkosten."

So belastend ist die Pflege Angehöriger
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Foto: Bußkamp, Thomas

Problem: Kosten schwer im Voraus zu berechnen

Sein Problem: Er müsse ständig mit mehreren Unbekannten rechnen. Etwa: Wie entwickeln sich die Kosten für Instandhaltung und (gesetzlich vorgeschrieben) Wartung? Die können Jahr für Jahr ganz schön schwanken. Im vergangenen Jahr musste Reinders dafür 211 000 Euro ausgeben: "Altenheime werden inzwischen genau so überwacht wie Atomkraftwerke." 2012 waren es 261 000 Euro, 50 000 Euro mehr. "Dennoch war 2013 ein schlechtes Jahr, wir haben eine schwarze Null geschrieben." Die gemeinnützige GmbH braucht aber Erlöse, um Rücklagen für Investitionen bilden zu können. Reinders größtes Problem ist allerdings der Personalschlüssel. Denn die geltenden "Personalanhaltswerte" seien "völlig willkürlich gegriffen" und hätten mit der tatsächlichen Arbeitswirklichkeit überhaupt nichts zu tun: "Das Pflegesystem ist so kompliziert und komplex, dass es Bewohnern und Angehörigen kaum zu vermitteln ist."

Ein Beispiel: 1995 wurde die Pflegeversicherung eingeführt. Pflegestufe 3 bedeutete bis dahin: bettlägerig oder stuhlinkontinent. Mit der Pflegeversicherung wurden Zeitwerte pro Pflegehandlung eingeführt. Für die Pflegestufe 3 waren jetzt mindestens vier Stunden reine Pflegezeit pro Person und Tag nötig: ein theoretischer Wert, der mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Reinders: "Vor 1995 waren bis zu 35 Prozent der Pflegebedürftigen Pflegestufe 3, jetzt nur noch 20 Prozent. Das führt unterm Strich zu Personaleinsparungen." Dass das ganze Pflegesystem noch nicht zusammengebrochen sei, sei nur dem persönlichen Einsatz der Pflegenden zu verdanken. Viele zahlen dafür einen hohen Preis. Reinders: "Sie scheiden nach fünf bis acht Jahren aus der Pflege aus. Die städtischen Seniorendienste haben über 100 ehrenamtliche Mitarbeiter. Das entlastet unsere Hauptamtlichen." Reinders hofft, dass der Personaleinsatz endlich "auf realistischer Grundlage" gesetzlich neu geregelt wird - "damit Mitarbeiter - ohne Überstunden - so arbeiten können, wie sie es gelernt haben".

Edith Schnabel ist Vorsitzende des Beirats, der die 125 Bewohner des Seniorenzentrums Erikaweg vertritt. Die meisten Bewohner hätten von der Erhöhung der Pflegesätze nichts mitbekommen, erzählt die 76-Jährige: "Darum kümmert sich mein Sohn." Sie spürten aber, wie sehr die Mitarbeiter und Freiwilligen im Ehrenamt sich für sie ins Zeug legten: "Wir fühlen uns hier gut aufgehoben."

(RP)
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