Hilden Siedlung Kolksbruch ist jetzt 60 Jahre alt

Hilden · Wenige Jahre nach dem Krieg fanden hier viele Vertriebene aus Schlesien und Ostpreußen eine neue Heimat.

 Helfried Arlt kümmert sich um die Blumen in seinem Vorgarten und hält dabei ein Schwätzchen mit seinem Nachbarn Ernst Scharf.

Helfried Arlt kümmert sich um die Blumen in seinem Vorgarten und hält dabei ein Schwätzchen mit seinem Nachbarn Ernst Scharf.

Foto: Olaf Staschik

Zwei ältere Herren stehen am Gartenzaun und betrachten die blühende Pracht in den Beeten. Ernst Scharf (80) und Helfried Arlt (73) gehören zu den Erstbeziehern der "Nebenerwerbssiedlung Kolksbruch", die 1955 auf einer Brache am Rande von Hilden entstanden ist. Heute liegt sie mitten im Musikantenviertel.

Scharf, damals 20, und Arlt, damals 13 Jahre alt, zogen mit ihren Eltern und Geschwistern in die gerade fertiggestellten Häuser. Beide stammen aus Ober-Görisseifen, Kreis Löwenberg in Schlesien, und gehören zu dem Heer von Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg provisorisch in Flüchtlingsunterkünften untergebracht waren. Ihre Familien hatten das Glück, eins der 20 Häuser in der Siedlung Kolksbruch per Losentscheid zu erhalten.

Arlt schlägt einen kleinen Rundgang über das Gelände vor, das heute dicht bebaut ist. "Damals gehörte zu jedem Haus etwa ein Morgen Land, rund 2500 Quadratmeter." Die Idee dahinter war, dass sich die Siedler mit Landwirtschaft und Kleintierhaltung einen Teil ihres Lebensunterhalts sichern sollten. "Jeder hielt damals ein Schwein, Schafe oder Ziegen, Hühner, Enten und Gänse." Die Häuser, die heute groß wirken, boten ihren Bewohnern tatsächlich wenig Wohnfläche, etwa 60 Quadratmeter im Parterre für die Eigentümer, und genauso viel Platz, allerdings mit Dachschräge, im ersten Stock. Unten wohnten die Eigentümer, oben die Mieter. Im Wohnhaus integriert war ein Stall, der Heuboden und eine Waschküche. "Wir haben hier mit zwei Familien und neun Personen auf 120 Quadratmetern gewohnt, aber damals waren wir privilegiert", erzählt Arlt.

Die Anfänge waren hart: Die von den Einheimischen als "Rheumasiedlung" Geschmähte war auf sumpfigem Grund erbaut worden. "Wenn es regnete, versank hier alles im Schlamm. Vor die Tür ging man nur in Gummistiefeln. Den Boden, auf dem Kartoffeln und Gemüse angebaut wurden, konnte man nur von Hand umgraben und jeder half jedem", berichtet Scharf. Das Konzept der Nebenerwerbssiedlung hatte nicht lange Bestand: Hilden wuchs schnell, und in den 1970er Jahren fand die Stadt die Grundstücke der Siedler zu groß und baute neue Straßen, um das Areal besser zu erschließen. Neue Häuser entstanden, gebaut damals überwiegend von den Nachkommen der ersten Siedlergeneration: "Ich habe das Haus von meinen Eltern übernommen, meine beiden Brüder haben nebenan ein Mehrfamilienhaus gebaut, in dem sie auch leben", erzählt Arlt. Inzwischen steht ein weiteres Haus auf seinem Grundstück. Darin leben seine Tochter und deren Familie. Viele der 20 Häuser wurden vererbt und werden noch heute von Nachkommen der Siedler bewohnt. Die Siedlung Kolksbruch ist jetzt längst nicht mehr von Äckern umgeben, sondern liegt - dicht bebaut - mittendrin.

60 Jahre nach dem Erstbezug haben etwa 60 alte und neue Siedler den Geburtstag der Siedlung in der Friedenskirche gefeiert. Der älteste Teilnehmer war 82 Jahre alt, der jüngste gerade sechs Monate.

(RP)
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