Haan Stammesfrauen stürmen das Rathaus

Haan · In bunten Kleidern und mit schwarz geschminkten Gesichtern übernahmen am Donnerstag die Frauen die Macht in der Haaner Stadtverwaltung. Zum jecken Jubiläum – zwei Mal elf Jahre – gab es auch einen Orden für die Organisatorin.

In bunten Kleidern und mit schwarz geschminkten Gesichtern übernahmen am Donnerstag die Frauen die Macht in der Haaner Stadtverwaltung. Zum jecken Jubiläum — zwei Mal elf Jahre — gab es auch einen Orden für die Organisatorin.

10 Uhr. Ein ganz normaler Tag im Haaner Rathaus. Ein Mann fragt am Eingang, wo es zum Einwohnermeldeamt geht, eine Frau erkundigt sich nach Lohnsteuerformularen. Edeltraud Hülsmann hilft an der Information am Eingang weiter. "Wir arbeiten heute wie immer", sagt die 62-Jährige. Naja, fast. Denn es ist Altweiber. "Während des Rathaussturms wird es etwas laut. Da muss man die Anrufer bitten, später noch mal anzurufen." Aus dem Sitzungssaal ist bereits Karnevalsmusik zu hören. Doch noch ist er leer.

Derweil wird auf der gegenüberliegenden Straßenseite, im "Vici's", der Angriff auf die Stadtspitze vorbereitet. In der Gaststätte drängen sich Damen, die überwiegend schwarze Gesichter und bunte Kleider haben. "Wir sind ,Black Mamas', afrikanische Stammesfrauen", erklärt Silvia Simovic (57). Sie ist in blau-grüne Tücher gehüllt, trägt goldene Bänder am Hals, Theaterschminke im Gesicht und — ebenso wie ihre Tochter Katja (33) — aufgeklebte Nägel auf den bestrumpften Zehen. "Etwa zwei Stunden haben wir fürs Schminken und Verkleiden gebraucht", erzählt Silvia Simovic.

Sie heißt an diesem Tag allerdings "Sprinta" (Die Schnelle), wie auf ihrem Namensschild zu lesen ist. Ihre Tochter ist mit "Domina" (Die Bestimmende) anzureden. 50 Namen haben sie sich für ihren Altweibereinsatz ausgedacht und dann ausgelost.

Inge Schwager ist seit 1992 dabei, ihre Tochter zum ersten Mal. "Sie hat sonst nie frei bekommen", sagt die Floristin. Die Zeit rückt voran. Das Sektfrühstück wird beendet, ein Gruppenfoto gemacht, dann geht es hinüber zum Rathaus. Dort wartet bereits Christa Sänger mit buntem Hut. "Ich freue mich schon", sagt die 72-Jährige. "Die Stimmung ist immer gut."

Hinter der mittlerweile verschlossenen Eingangstür wird die Stadtspitze leicht nervös. Bürgermeister Knut vom Bovert, seine Stellvertreterin Ute Wollmann und Tobias Kaimer machen sich als Dreigestirn auf den Ansturm der Möhnen gefasst. Kaimer ist spontan für den erkrankten stellvertretenden Bürgermeister Klaus Mentrop eingesprungen. Alle drei tragen Zylinder und bunte Kostüme, halb Anzug, halb Lumpen. "Wir wollten eigentlich als Zirkusdirektoren gehen", erklärt der Stadtchef. So fühle man sich nämlich mitunter an der Spitze einer Stadtverwaltung. Aber das Geld der Stadtkasse habe nicht für Kostüme für alle gereicht. "Daher haben wir fair geteilt." Draußen wird es laut. Die Möhnen fordern Einlass. Um 11.11 Uhr wird er gewährt, die Menge stürmt die Treppe hoch. Das Dreigestirn empfängt sie mit Likör und Bützchen.

Im Saal sorgen Dieter Köhler und sein Nachfolger als Stadtjugendreferent, Peter Burek, für Musik. Schließlich ist noch einmal Fingerspitzengefühl gefragt: Silvia Simovic schafft es gekonnt, dem Bürgermeister — der zur Feier des Tages einen Brillanten auf einem Nasenflügel trägt — den Rathausschlüssel aus dem Hosenbund zu ziehen und so die Macht an sich zu reißen. Für ihren mittlerweile 22-jährigen Einsatz als Organisatorin des Rathaussturms erhält sie vom Haaner Kinderprinzenpaar einen Orden.

Die Verkleidung der "Black Mamas" bereitet dem ersten Bürger der Stadt jedoch einige Probleme: Bei der Ansprache muss vom Bovert erst einmal überlegen, wie er die "anders Pigmentierten" politisch korrekt ansprechen muss.

(RP/ac)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort