Weihnachten Zuflucht Weit genug weg vom Bürgerkrieg in Syrien

Hilden · Die syrische Flüchtlingsfamilie hat sich im Haaner Pfarrhaus gut eingelebt. Dort finden Erwachsene wie Kinder Sicherheit und Ruhe - und dank vieler ehrenamtlicher Helfer breite Unterstützung.

 Sie haben in Hilden und Haan eine Zuflucht gefunden. Oben: Vater Karam, Sohn Christian und Alin mit ihrem Sohn Kress. Unten: Bochos, Johan, Nariman, Anni, Rassam und Simon.

Sie haben in Hilden und Haan eine Zuflucht gefunden. Oben: Vater Karam, Sohn Christian und Alin mit ihrem Sohn Kress. Unten: Bochos, Johan, Nariman, Anni, Rassam und Simon.

Foto: Olaf Staschik

Haan Johan hat eine wichtige Aufgabe. Der Neunjährige kann schon so gut Deutsch, dass er für seine Familie die Rolle des Dolmetschers übernommen hat. Mit funkelnden Augen hört der pfiffige kleine Junge zu und übersetzt das Gesagte dann für seine Eltern, seine Großeltern und für Onkel und Tante ins Arabische. Auch Erwachsenenfragen, solche nach Gefühlen oder Politik, auch wenn er sie nicht immer richtig versteht und dann die Stirn runzelt.

Wenn er antwortet, dann berichtet er von Erlebnissen, die dem Zuhörer den Atem stocken lassen. Den Krieg bekamen er und seine Familie hautnah mit. Im Keller auf das Ende der Angriffe wartend, hörten sie, wie Raketen in ihrem Viertel einschlugen. Einmal sei ein Irrläufer in seinem Klassenzimmer gelandet, erzählt Johan. Gottlob wurde niemand verletzt. Doch die tödlichen Folgen des Krieges trafen auch seine Familie: "Vor einem Monat wurde mein Onkel in einem Bus erschossen", sagt Johan, und seine großen, braunen Augen weiten sich.

Der Alltag war vor allem für die Kinder mit großen Entbehrungen verbunden. "Wir hatten keinen Strom in Syrien", erzählt der kleine Junge. Und wenn überhaupt, dann durften sie am Tag höchstens für ein bis zwei Stunden das Haus verlassen. Denn neben dem Krieg herrschte auch Angst vor Verfolgung. Sie sind Christen und hatten ständig Sorge vor gewalttätigen Übergriffen. Als sie schließlich beschlossen, zu flüchten, "da hat es einen Monat gedauert, bis wir Plätze in einem Flugzeug bekamen". Immerhin hatten sie das Geld dafür. Vater Karam ist Automechaniker, Mutter Anni Lehrerin für Kunst und Hauswirtschaftskunde. Ihre Reise führte die Familie von ihrem Heimatort Hassaké über Damaskus, die Hauptstadt Syriens, und Libyen. Karam und Anni kamen 2013 mit ihren Söhnen als erste nach Deutschland. Jetzt holten sie Annis Eltern, die Schwester Alin, deren Mann Rassam und ihre Söhne Kress (7) und Simon (3) nach. Während Karam und Anni in Hilden leben, haben Alin und Rassam mit ihren Söhnen und den Großeltern im Pfarrheim der katholischen Gemeinde St. Chrysanthus und Daria eine Zuflucht gefunden. Vier schöne und helle Zimmer, Küche, Diele und Bad stehen der sechsköpfigen Familie zur Verfügung, alles blitzsauber und mit dem Nötigen ausgestattet. Sie sind damit direkte Nachbarn von Pfarrer Reinhard Nieswandt, der im Erdgeschoss lebt. Er freut sich über das Leben im Haus und hat schon ein paar arabische Worte gelernt, um sich mit ihnen zu verständigen. "Kefalik" zum Beispiel, was so viel bedeutet wie "Wie geht es dir?" "Das frage ich schon mal öfter", sagt Nieswandt lachend. Sein Eindruck: "Die Familie hat sich sehr gut eingelebt." Noch hapere es an der deutschen Sprache, doch mit Beginn des neuen Jahres sollen auch die Erwachsenen an Kursen teilnehmen. Simon besucht den katholischen Kindergarten, Kres die Don-Bosco-Grundschule. Dort fühlen sie sich pudelwohl "und sind gar nicht mehr von dort wegzukriegen", weiß Nieswandt.

Niemand kann in die Herzen der syrischen Flüchtlinge schauen. Niemand weiß, wie sehr sie noch unter dem Erlebten leiden. Und sie erzählen es auch nicht. Doch sie wirken nicht traurig oder leidend, sondern fröhlich. Die Eltern sind liebevoll zu ihren Kindern, ziehen sie immer wieder auf ihren Schoß, drücken sie. Karam und Anni sind stolz, dass ihr Johan so gut Deutsch kann. "Jetzt sind wir beruhigt", resümiert der Neunjährige im Auftrag der Erwachsenen und fügt hinzu: "Es ist sehr schön hier."

Die Familie ist dankbar für etwas, das im sicheren Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist. Johan und sein Bruder Christian können nun wieder draußen spielen, ohne Angst vor Bombenangriffen, Entführungen oder gewaltsame Übergriffe müssen sie nicht fürchten.

(RP)
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