Kreis Mettmann Wenn das Licht nachts nicht erlischt

Kreis Mettmann · Lichtverschmutzung bringt die Natur aus dem Takt. So können auch im Neanderland Strahler zum Ärgernis werden.

 Grün beleuchtete Bäume vor der Königshof-Galerie in Mettmann.

Grün beleuchtete Bäume vor der Königshof-Galerie in Mettmann.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Auf der anderen Seite des Lichts ist es dunkel? Philosophen haben sich darüber seitenlang ausgelassen, und eigentlich wissen wir es auch. Aber wissen wir hier im Neanderland wirklich noch, wie sich Dunkelheit anfühlt? Wie man sich fühlt, wenn es des Nachts im dunklen Walde raschelt? Meist kommt dann von irgendwo jemand mit Stirnlampe dahergelaufen. Oder das Licht der Städte reicht hinein in die Natur. Übrigens auch längst in den Menschen selbst, wie es einst der Mettmanner Pastor Sebastian Hanning in der RP-Kolumne "An(ge-)dacht" bedauerte.

 Lichtverschmutzung über Haan, von der Schöllersheide in Mettmann aus aufgenommen.

Lichtverschmutzung über Haan, von der Schöllersheide in Mettmann aus aufgenommen.

Foto: mikko schümmelfeder

"Wir haben uns ein Umfeld geschaffen, in dem die ständig brennenden Lampen die Dunkelheit kaum noch zulassen", beklagte der Theologe eine zunehmende "Lichtverschmutzung" der Seele. Durch die Dauerbeleuchtung würden wir zusammen mit der Nacht auch die Chance vertreiben, mit den tieferen Dingen des Lebens in Berührung zu kommen. So jedenfalls sieht es jemand, der vorrangig den Menschen im Blick hat.

Schaut man hingegen auf die Tierwelt, so lassen sich ähnliche Geschichten erzählen. Sie haben zu nächtlicher Stunde die Kneipentür hinter sich zugemacht, um mitten in der Fußgängerzone einem Vogelkonzert beizuwohnen? Oder Sie gehen durchs Wohnviertel und vom Dach trällert jemand Ihren Handyklingelton? Sollte Ihnen all das passieren - und das mitten im Neanderland - so können wir Sie beruhigen. Nein, Sie leiden keineswegs an Halluzinationen, sondern eher unter den Kuriositäten der Moderne.

Dazu gehört schon seit längerem, dass nicht nur der Mensch, sondern auch die Vogelwelt aus dem Takt gekommen ist. Lichtverschmutzung ist ein Phänomen, von dem der Mettmanner Landschaftspfleger Detlef Regulski sagt: "Viele Tiere kommen darin um oder sind gezwungen, ihr Verhalten anzupassen. So trällern Vögel in den Innenstädten zuweilen die ganze Nacht - umringt von nicht enden wollender Beleuchtung. Oft noch ganz modern mit LED, und das auch dann, wenn man sich üblicherweise selbst längst die Bettdecke über den Kopf gezogen hat. "Bei so viel Stress steigt die Aggressivität unter den Artgenossen und irgendwann reicht die Kraft nicht mehr, um die eigene Brut zu versorgen. Burnout bei Vögeln? Was sich absurd anhört, scheint so abwegig nicht zu sein.

Denn unter Vögeln gilt: Wer beim Balzen den Schnabel vorn haben will, sollte erfinderisch sein. "Ein Rotkehlchen muss in der Innenstadt schon ziemlich laut singen, um den Straßenlärm zu übertönen", weiß Reinhard Vohwinkel. Der Ornithologe aus Tönisheide ist oft in Wülfrath unterwegs, um den Spuren der fleißigen Sänger zu folgen. "Allein hier in der Gegend konnte ich 240 Vogelarten nachweisen", berichtet Vohwinkel von seinen Streifzügen durchs Neanderland. Dabei weiß der Vogelexperte auch, wie rabiat es zuweilen in der Balzzeit zugeht, und dass man Vogelgesang nur so lange unschuldig und harmlos finden kann, bis man genau weiß, welche tierischen Dramen sich dahinter verbergen können. Da wird geprotzt, getäuscht und getrickst - und all das nur, um die Damenwelt zu beeindrucken.

Dabei dürften die nächtlichen Vogelkonzerte hier noch eher beschaulich daherkommen. Denn mit der Straßenbeleuchtung und dem nächtlichen Verkehr in Großstädten kann im Neanderland keiner mithalten.

Gott sei Dank - so möchte man meinen. Zumindest in der Vogelwelt dürfte sich herumgesprochen haben, dass ein Rückzug in die Provinz nicht das Schlechteste ist. Hat man sein Quartier nicht gerade in der Innenstadt oder neben den Hauptverkehrsstraßen aufgeschlagen, bleibt man im besten Falle verschont von Dauerkrach und Rund-um-die-Uhr-Beleuchtung. Wenigstens muss nicht pausenlos gesungen werden. Früher aufstehen dürften die gefiederten Herrschaften allerdings schon. Denn neben dem stetig zunehmenden Lärmpegel sind es vor allem auch die Straßenlaternen und rundum beleuchtete Häuserkulissen, die bei der Vogelwelt für Verwirrung sorgen. Ach, wie schön war es doch, als nachts noch alle Katzen grau waren.

(RP)
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