Fastenzeit - Weniger Ist Mehr (5) Wer Zeit gut einteilt, hat mehr vom Leben

Hilden · "Wir leben in einem Dringlichkeitswahn", sagt die Trainerin. Sie rät: Ignorieren können! Loslassen, entspannen, abschalten.

Helga Herchenhan betreibt eine Coaching-Agentur und gibt Kurse in Zeitmangement.

Helga Herchenhan betreibt eine Coaching-Agentur und gibt Kurse in Zeitmangement.

Foto: Dietrich Janicki

Fasten heißt Verzichten können. Zumindest auf all das, was ohnehin zu viel ist. Aber wie ist das mit der Zeit? Die ist ohnehin schon knapp. Einsparpotential? Gefühlt gleich Null! Aber genau dort liegt auch das Problem. Denn bei der Zeit geht es weniger um Quantität, als um Qualität. Und die steigt nun mal, je weniger wir tun. Wer hat heute schon noch Zeit? Der Alltag ist durchgetaktet bis zur letzten Minute. Mit Multitasking schaffen wir es auch noch, jede der 24 Stunden gleich doppelt und dreifach auszunutzen.

"Dazu kommt noch der Charme der tausend Kleinigkeiten, die den Tag vollends kaputt machen", weiß Helga Herchenhan. Die Mettmannerin hat sich vor beinahe 20 Jahren mit ihrer Coaching-Agentur "Diskurs" selbständig gemacht und gibt seither Kurse im Zeitmanagement. Aus ihren Begegnungen und Gesprächen weiß sie: "Wir leben in einem Dringlichkeitswahn." Wenn es um Zeit geht, heißt Verzicht also vor allem, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dabei helfen Tipps wie der, nur die relevanten E-Mails zu lesen, nicht wirklich weiter. Denn um diese Entscheidung treffen zu können, müssen erstmal alle Nachrichten gelesen werden. Inmitten der Informationsflut wird es ohnehin immer schwieriger, Prioritäten zu setzen.

Deshalb lautet das Gebot der Stunde: Ignorieren können! Loslassen, entspannen, abschalten. Wobei letzteres durchaus wörtlich genommen werden darf. Denn um die Zeit zurückzuerobern, sollte man wissen, wo bei Handy, Computer und Fernseher der Knopf zum Ausschalten ist. "Wir lassen uns von der Technik versklaven, die es uns eigentlich leichter machen soll", glaubt Helga Herchenhan. Hat man früher gefühlte Stunden mit dem Schreiben von Briefen verbracht, genügt heute ein Mausklick.

Und der bleibt meist nicht folgenlos. Denn schon Minuten später dürfen wir uns bei entsprechend gefülltem E-Mail-Verteiler über eine Flut von Antwortmails freuen. An der Kasse, beim Arzt, im Stau: Warten zehrt an den Nerven. Der Geduldsfaden ist längst gerissen. Eigentlich laufen wir der Zeit ständig hinterher, ohne eine Möglichkeit zum Innehalten. "Wir handeln erst und denken dann darüber nach", so die Expertin in Sachen "Zeitmanagement".

Und das ist schon optimistisch gedacht, denn oft bleibt zum Nachdenken überhaupt keine Zeit mehr. Im Grunde ist es paradox, sich in all dem Irrsinn auch noch entspannen zu wollen, um dem Burnout vorzubeugen. Und dennoch: Um die freie Zeit genießen zu können, müssen wir den inneren Quälgeist abschalten. Und wir müssen uns Zeiten und Räume schaffen, in denen wir vor den Anforderungen, die auf uns einprasseln, geschützt sind.

(RP)
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