Hückelhoven Opferwillige Pfarrkinder spenden Geläut

Hückelhoven · Neue Glocken für die Lambertuskirche trafen vor hundert Jahren in Hückelhoven ein. Die größte wog 20 Zentner.

Das war schon eine erhebliche Last, die da Ende Oktober 1913, also vor 100 Jahren, auf einer hölzernen Pferdekarre über die unbefestigte Dorfstraße in Hückelhoven vom damals noch jungen Bahnhof heran rumpelte: drei neue Glocken für die Lambertuskirche, zu der Zeit die einzige katholische Kirche in Hückelhoven.

Die 500 Jahre alte Bannglocke ging dann ins Kölner Diözesan-Museum, dafür erhielt die Pfarre 500 Mark. Und sie kehrte 20 Jahre später, 1933, wieder, in die neue Barbarakirche. Als Symbol für die dramatische wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Hückelhovens, die in zwei Monaten ebenfalls ein Hundertjähriges feiern wird: Im Januar 1914 wurde die erste Kohle auf der (späteren) Zeche Sophia-Jacoba gefördert. Am 1. Dezember 1933 kehrte die Bannglocke zurück, um in den Turm der gerade fertiggestellten Barbara-Kirche in der neuen Bergmannssiedlung gehievt zu werden.

1913 feierte Ludwig Banritzer sein silbernes Dienstjubiläum als Priester in der Lambertus-Pfarre, er verzichtete auf persönliche Geschenke, um dem zu folgen, was "von berufener Seite dem Kirchenvorstand geraten worden war, nämlich drei neue Glocken anzuschaffen, damit die Gewähr für ein wirklich schönes, harmonisches Geläute gegeben sei." So schreibt es der 1971 verstorbene Rektor Johannes Heinrich Terboven in seiner "Lokalgeschichte" von 1949. "Dank der Opferwilligkeit der Pfarrkinder konnte das neue Geläute schon in diesem Frühjahr in Auftrag gegeben werden. Die bekannte Firma Otto in Hemelingen (bei Bremen) hat jetzt das Geläute, bestehend aus drei Glocken im Gesamtgewicht von 40 Zentnern, wovon die größte 20 Zentner wiegt, in schöner Ausführung ausgeliefert."

Das berichtet die Erkelenzer Zeitung am 25. Oktober 1913. Vier Tage später berichtet das Blatt, dass Dechant Kamp die drei Glocken geweiht hat, und das nicht allein: "Nebst einer Anzahl geistlicher Herren hatte sich die ganze Pfarre zu dieser seltenen Feier eingefunden. Mögen die Glocken stets zum Frieden läuten." Kein Jahr später war dieser fromme Wunsch obsolet, der I. Weltkrieg begann.

Als die aus dem 14. oder sogar späten 13. Jahrhundert stammende Zehnt- oder Bannglocke am 1. Dezember 1933 für die Barbarakirche zurückkehrte, hing am Klöppel noch das Schild vom Abtransport 1913: "Kaiserliches Postamt Hückelhoven". Bis zur Abschaffung der Feudal- und Kirchenregeln durch die Franzosen 1802 war die Finanzierung der Kirchen über das "Zehntrecht" geregelt. Die "Decimatores Majores", die Inhaber des Zehnten, das heißt diejenigen, die von vor allem den Bauern den zehnten Teil der Produkte als Pflichtabgabe erhielten, mussten eine Glocke bezahlen, die so geschaffen war, dass sie im gesamten Zehntbezirk oder dem "Campane bannalis", dem Bannbezirk, zu hören war.

Das war in Hückelhoven die schwerste Glocke, die in schlichtem Design gehalten und der Heiligen Maria geweiht ist. Sie hat die Bergbau-Industrialisierung in Hückelhoven kommen und gehen gesehen, sie hat als deren Folgeerscheinung die Gründung der Barbarapfarre hautnah miterlebt und begleitet, sie hängt immer noch in der Kirche auf dem Wadenberg, die seit kurzem auch keine eigenständige Pfarre mehr ist.

(isp)
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