Hückelhoven Persönliches Kriegsende mit Schrecken

Hückelhoven · Der Ratheimer Ortschronist Peter Schlebusch (1887-1968) hat seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg und der Zeit danach zu Papier gebracht. Vor 100 Jahren endete für ihn der Krieg als Schwerverletzter. Ein Zeitbild (Teil I).

 Peter Schlebusch als Wehrpflichtiger 1910 ...

Peter Schlebusch als Wehrpflichtiger 1910 ...

Foto: Pfarre Ratheim

"Als ich wieder zu Bett lag und der Ätherrausch entschwand, hatte ich das Gefühl, das Bein sei noch da. Erst als ich die Decke zurückschlug, sah ich, was mit mir geschehen war. Ein Krüppel für das ganze Leben! Die Fieberkurve fiel von 39 bzw. 42 auf normal 37. Dass ein Mensch mit 42 Grad Fieber sterben muss, ist bei mir nicht in Erfüllung gegangen."

Eine Feststellung, eine Wertung für einen ganzen Weltkrieg, ein Zeitzeugnis, niedergelegt vom Ratheimer Peter Schlebusch 1915 in seiner persönlichen Chronik des Ersten Weltkriegs, der für ihn vor 100 Jahren, 1916, als beinamputierter Krüppel endete, verstört, verwundet wie ganze Völker, wie ganze Länder. Und Peter Schlebuschs Leben, das von 1887 bis 1968 währte, ist exemplarisch für diese Ära der Zeitgeschichte am Niederrhein.

 ... und als Schützenkönig nach dem Zweiten Weltkrieg.

... und als Schützenkönig nach dem Zweiten Weltkrieg.

Foto: Pfarre Ratheim

Dass Peter Schlebusch als Autor einer Ratheimer Ortschronik und einer 50 DIN-A4-Seiten langen Autobiografie schreibend tätig sein würde, war aus seiner Schulzeit heraus nicht unbedingt abzusehen. Er wurde am 11. Januar 1887 als Sohn des Bauern und Korbmachers Wilhelm Schlebusch und dessen Ehefrau Maria Katharina in Ratheim-Garsbeck geboren. Mit sechs Jahren wurde er in Ratheim eingeschult, ein ehrgeiziger Schüler war er nicht, schon in der ersten Klasse schwänzte er den Unterricht so oft, dass Schlebusch sie wegen "unregelmäßigen Schulbesuchs" wiederholen musste. Peter Schlebuschs Stärke war die Beobachtungsgabe für sein Umfeld, Einfühlungsvermögen für die Menschen, später auch die Beschreibung seiner vielen Aufgaben mit den Menschen in den zahlreichen Vereinen in "seinem" Ratheim.

Schlebusch wurde in das seit 1871 von Preußen dominierte Deutsche (Kaiser-)Reich hineingeboren - für die gläubigen Katholiken wie Peter Schlebusch das Jahr, in dem der "Kulturkampf" zwischen den den Kaiser stellenden protestantischen Hohenzollern und der katholischen Kirche endete, indem diese unter anderem die Zivilehe, die staatliche Schulaufsicht und das Verbot der politischen Betätigung der Priester akzeptierte.

 Ehrenmale zum Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege - wie hier in Ratheim - führen auf Tafeln die Namen zahlreicher Toter auf, viele junge Männer aus der Generation von Peter Schlebusch.

Ehrenmale zum Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege - wie hier in Ratheim - führen auf Tafeln die Namen zahlreicher Toter auf, viele junge Männer aus der Generation von Peter Schlebusch.

Foto: Jürgen Laaser

In Europa wurden die Auseinandersetzungen um die Führungsrolle zwischen den Großmächten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Russland, Österreich-Ungarn immer deutlicher, Bündnisse und Gegenbündnisse, geheim und offen, wurden geschlossen. Eine Entwicklung, die für Peter Schlebusch und seine Generation in den Ersten Weltkrieg mündete, der mit dem Friedensvertrag von Versailles 1919 endete. 17 Millionen Menschen bezahlten das Unvermögen der politisch-herrschaftlichen Führungen zum Frieden mit ihrem Leben. An Gefallenendenkmälern und in Kirchen an Rur, Schwalm, Niers und Wurm führen Tafeln die Namen der zahlreichen Toten auf, überwiegend junge Männer aus der Generation Peter Schlebuschs. Denkt man sich in die Logik des Kriegs hinein, so wirkte die schwere Verwundung Peter Schlebuschs womöglich lebensrettend, denn nach seinem Abschied aus dem Reichsheer dauerte der Krieg noch zwei volle Jahre, allein die Ratheimer Opferliste von 93 toten Soldaten weist knapp 80 auf, die nach Schlebuschs Verwundung in einer Januarnacht 1915 umgekommen sind.

Für Peter Schlebusch stand schon früh die Mitarbeit auf dem elterlichen Hof als Selbstverständlichkeit in der Lebensagenda, Kinderarbeit in Landwirtschaft, Handwerk und auch Industrie war bis zum ersten Kinderschutzgesetz 1904 verbreitet. (Fortsetzung folgt)

(isp)
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