Hückelhoven Schacht VI/HK ging vor 50 Jahren in Betrieb
Hückelhoven · Im Innern des imposanten Turms kam 1964 der erste Großraumförderwagen mit Kohle ans Tageslicht, am 27. März 1997 die letzte Lore.
Vom ersten Spatenstich am 12. Januar 1961 bis zur Inbetriebnahme am 18. Juni 1964, vor 50 Jahren, brauchte es dreieinhalb Jahre. Von der Auslösung des Sprengimpulses bis zum Aufschlag von 15 600 Tonnen Stahlbeton auf dem Boden des Rur-Rands am 3. Dezember 1998 brauchte es keine fünf Sekunden. Die Geschichte des Betonförderturms von Fritz Schupp, Schacht VI der Zeche Sophia-Jacoba bei Ratheim.
Er war ein strahlender Sonnen-Sommertag, der Donnerstag, 18. Juni 1964, als sich aus der Landeshauptstadt Düsseldorf der Ministerpräsident Dr. Franz Meyers und der Landtagspräsident Wilhelm Johnen auf den Weg nach Ratheim machten, um die Inbetriebnahme eines Bauwerks mitzufeiern, das für technische Modernität, ökonomische Zukunft und architektonischen Glanz in ganz besonderem Maß stand.
Entsprechend dem Anlass war, für Ratheim vermutlich das erste und einzige Mal, "große Oper" angesagt: Die werkseigene Bergkapelle intonierte den "Einzug der Gäste auf der Wartburg" aus Richard Wagners romantischer Oper "Tannhäuser", in der die Liebe am Ende siegt, was von der Politiker-Liebe zu Sophia-Jacoba später nicht behauptet werden kann. Die Zechenschließung ahnten 1964 selbst Pessimisten nicht.
Bergwerksdirektor Helmut Kranefuss zeichnete in seiner Festrede Funktion und Architektur des Förderturms nach, die die gleiche wie beim Schacht IV war, lediglich in den Dimensionen differierte. "Immer ist die Tagesanlage eines Bergwerks irgendwie Ausdruck der Eigenheiten der Lagerstätte, des vorkommenden Minerals und seiner Beschaffenheit und natürlich auch der Tiefe des Vorkommens der Menge des Förderguts", beschrieb Kranefuss die Voraussetzungen für den renommierten Industriearchitekten Fritz Schupp. Der bei der Feier anwesende Professor war Schöpfer des Weltkulturerbes Zeche Zollverein in Essen sowie des VW-Werks in Wolfsburg und hatte bereits 1933 die SJ-Hauptverwaltung in Hückelhoven entworfen. Mit dem Schacht VI war der 1956 aufgelegte Entwicklungsplan des Unternehmens vollendet, der in drei Ausbaustufen eine Fördersteigerung von einer auf zwei Millionen Jahrestonnen des Edelanthrazits vorsah, die auf Ratheim konzentriert wurde. Die Ur-Schächte 1 bis 3 in Hückelhoven waren als Förderschächte damit überflüssig geworden, sie blieben als Wetterschächte und zu Personenfahrten (mit engem Korb) in Funktion.
Der Ratheimer Zwilling, der Turm über Schacht IV, war zu Anfang des Jahres 1959 nach zweieinhalbjähriger Bauzeit in Betrieb genommen worden. Die hervorragende Gestaltung der Zentralschachtanlage erhielt später den NRW-Preis "Industrie und Landschaft". Am 18. Juni 1964 betätigte der SJ-Aufsichtsratsvorsitzende H. J. E. van Beuningen das Fahrtsignal, um 12.24 Uhr kamen die ersten Großraumförderwagen im Schacht VI ans Tageslicht - am 27. März 1997 die letzten.