Hückelhoven Stadt aus Dornröschenschlaf geweckt

Hückelhoven · Vor 50 Jahren haben elf Jazz- und Beat-begeisterte Jungs den "Weekend-Club" aus der Taufe gehoben. In den Folgejahren wurde ein alternatives kulturelles Angebot in Hückelhoven etabliert. Der Club war Mitinitiator des Stadtmusikfestes.

 Die Beatniks von einst sind heute Mittsechziger: Harald Ross, Friedhelm Specks, Jochen Kofferath und Willi Spichartz (v. li.)

Die Beatniks von einst sind heute Mittsechziger: Harald Ross, Friedhelm Specks, Jochen Kofferath und Willi Spichartz (v. li.)

Foto: Uwe Heldens

Sie holten Liedermacher Reinhard Mey und Jazz-Legende Chris Barber nach Hückelhoven, als sie selbst noch Teenager waren, gerade mal 15 bis 19 Jahre jung. Ihr ehrgeiziges Ziel, das sie sich selbst gesteckt hatten: in der damaligen Zechenstadt, in der es schon zahlreiche Tanzlokale und Bars gab, ein alternatives kulturelles Angebot zu schaffen. "Wir selbst waren noch zu jung für den Eintritt", erzählt "Weekend-Club"-Urgestein Willi Spichartz schmunzelnd.

Sie nannten sich "Weekend-Club", wurden wegen ihres Markenzeichens, der vornehmen Fliege zum dunklen Anzug mit Weste, von vielen als etwas arrogant eingestuft. Heute blicken die Mitglieder des "Weekend-Clubs", der nie eingetragener Verein war, auf 50 Jahre zurück. Anno 1964 starteten die kulturellen Planungen, im Folgejahr fand der erste Beat-Abend im legendären Saal Darius statt, der damals mehr als 500 junge Besucher nach Hückelhoven lockte. Die "Newcomers", Schüler des Erkelenzer Jungen-Gymnasiums, spielten - und avancierten schnell zur Hausband der Teenie-Gastgeber.

"Wir haben Hückelhoven aus dem Dornröschenschlaf geweckt", erinnert sich Mitbegründer Harald Ross an die Anfänge der ungewöhnlichen wie unkonventionellen Veranstaltungen, für die anfangs die Eltern, später die Stadt Ausfallbürgschaften für den Fall eines finanziellen Verlusts, der aber nie eintrat, übernahmen. "Zeit für besondere Aktivitäten und die legendären Treffs gab's nur am Wochenende", erklärt er die Namensfindung in einer Zeit, als Lolita "Mein Schiff heißt Heimweh" sang und Heidi Brühl "Wir wollen niemals auseinander geh'n" versprach.

Mit den Einnahmen der gut besuchten Beat-Abende - die Gäste strömten aus Aachen, Mönchengladbach und Düren nach Hückelhoven - wurden die Engagements bekannterer Künstler finanziert. Willi Spichartz: "Die dürftigen Einkommen der elf Clubmitglieder bestanden aus Taschengeld, Freizeitjobs und Lehrlingslohn." Insterburg & Co, Schobert & Black, das Golden Gate Quartett, The Dutch Swing Collegeband und 1969 eine Talkrunde mit Profi-Kicker Günter Netzer - schon bald dehnten die Nachwuchs-Veranstalter ihre Aktivitäten immer weiter aus. Luden zu Filmabenden ein, organisierten Kunstausstellungen in der Aula des Gymnasiums, einmal kam der damals noch unbekannte Regisseur Werner Herzog. Deutsch-tschechische Kulturwochen in Zusammenarbeit mit dem Prager Jugendkunstclub "Skamna", ein Kabarett-Abend mit Dietrich Kittner in der Turnhalle des Gymnasiums. Und ein Happening mit Toilettenpapierrollen und Kordeln, die kreuz und quer durch den Saal Darius gespannt wurden und insbesondere bei den Saalbetreibern für Kopfschütteln sorgten. 1973 dann die Beteiligung an der Gründung des Hückelhovener Kulturrings, man wurde Mitinitiator des Stadtmusikfestes und des Rahmenprogramms für die traditionelle Herbstkirmes.

Das Ende als Veranstalter kam, als die jungen Männer aus beruflichen Gründen und wegen ihres Studiums nicht mehr regelmäßig an den Clubabenden freitags in der Gaststätte Weber, später Spichartz, teilnehmen konnten. Harald Ross ist sicher: "Wir haben für ein breites und qualitätsbetontes Kulturangebot in Hückelhoven gesorgt. Ohne uns gäbe es das heutige Angebot nicht in der Form." Die Wegbereiter der Kulturlandschaft bedauern, dass es, so Ross weiter, keinen Platz mehr gebe für Experimente.

(cb)
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