Hückelhoven Von Gastgebern freundlich umsorgt

Hückelhoven · Reich an positiven Eindrücken kehrten 15 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Hückelhoven aus der Türkei zurück. Mit zwei Lehrern haben sie für eine Woche ihre türkische Partnerschule am Schwarzen Meer besucht.

Was der türkische Präsident aktuell von Deutschland und der Kanzlerin hält, konnte die Atmosphäre nicht trüben: Mit schönen Eindrücken kehrten 15 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Hückelhoven aus der Türkei zurück. Mit zwei Lehrern waren die Oberstufenschüler - viele von ihnen haben selbst türkische Wurzeln - zu ihrer Partnerschule Köprülüler Anadolu Lisesi in Vezirköprü gereist. Sie erlebten acht Tage in der Provinz Samsun, etwa 600 Kilometer östlich von Instanbul, 100 Kilometer südlich des Schwarzen Meeres. Im Juni hatten 15 türkische Schüler, 16 und 17 Jahre alt, Hückelhoven besucht.

Wegen der angespannten Lage in der Türkei war der Gegenbesuch dreimal verschoben worden. Seit 2010 unterhält das Gymnasium eine Partnerschaft zu der Schule in Vezirköprü. Beide Schulen waren an internationalen Comenius-Projekten beteiligt. Nun führte die Jugendlichen das Austauschprogramm der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke, einer Initiative der Stiftung Mercator, zusammen. "Projektarbeit zu geschichtlichen Themen stand im Mittelpunkt", erklärte beim Pressegespräch im Gymnasium Lehrer Wolfgang Roth, der mit Dr. Thomas Rubel die Gruppe begleitet hatte. Schon beim Besuch der Partner im Juni hatten sie trotz des angespannten Verhältnisses zwischen den beiden Staaten betont: "Wir sind der festen Überzeugung, vor allem mit der Erfahrung dieses guten Austausches, wie sehr es Sinn macht, dass sich junge Menschen begegnen."

In Hückelhoven hatten sich die Jugendlichen im vergangenen Sommer mit dem Thema "100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg - Zeiten des Krieges und des Umbruchs" beschäftigt. In der Türkei erarbeiteten sie einen Vergleich der Zeit Kemal Atatürks und der Weimarer Republik in den 1920er Jahren. In der Partnerschule (rund 300 Schüler) mit angegliedertem Mädchen-Internat fiel den deutschen Besuchern auf, wie herzlich das Verhältnis der Lehrer zu ihren Schützlingen war, die sie zuweilen mit "mein Sohn" anredeten und mit denen sie Handynummern tauschten. Die Aufgaben fanden die Gymnasiasten beim Blick in Prüfungshefte eher leicht. Das Highlight schilderte Thomas Rubel: "Als wir am ersten Tag die Schule verließen, standen alle Schüler an den Fenstern und der Schulleiter winkte von einem Balkon." Für Moritz war der Grund klar: "In der Stadt geht der Ausländeranteil gegen null. Da galten wir als exotisch." Der Schüler hatte von Gleichaltrigen gelernt, dass Prüfungen darüber entscheiden, welche Schule die türkischen Jugendlichen besuchen, und dass es Schulen gibt, an denen ausschließlich Religion gelehrt wird. Enes (17) kam sich vor wie vom anderen Planeten. "Die haben gedacht, dass ich in Deutschland die türkische Kultur gar nicht kenne", musste er feststellen.

"Wie es da so ist" und "was das wohl für Menschen sind" prägte die Neugier aufeinander. Enes vermied diplomatisch politische Themen, wollte ein Streitgespräch lieber gar nicht erst aufkommen lassen. Doch er bekam mit, wie seine Gastfamilie sich aufregte, als ihr Außenminister in den Niederlanden nicht einreisen durfte. Mitschülerin Mehtap (17) hat in der Gastfamilie mit der Mutter, die für die Regierung ist, geredet, wobei diese auch andere Meinungen akzeptierte. Moritz fiel auf, dass einige sich nicht trauten, Kritik an Erdogan zu äußern oder dies ganz leise taten. Bei einer Führung durch die Partnerschule lag im Physiksaal eine dicke Staubschicht. Wolfgang Roth gab den Grund wieder: "Der Lehrer war im November im Unterricht verhaftet worden und wurde nie wieder gesehen." Seit dem Putsch seien dort vier von 20 Lehrern entlassen oder inhaftiert worden, ergänzte Thomas Rubel.

Beria (16), deren Mutter selbst vom Schwarzen Meer kommt, wurde gefragt: "Hast du Probleme in Deutschland, weil du ein Kopftuch trägst? Wirst du ausgeschlossen?" Das habe die Gastgeber interessiert. Mehtep fühlt sich "hier als Türkin abgestempelt, da als Deutsche. Man ist beides." Über ihren Türkisch-Akzent hat mancher gelacht. Aber das findet sie toll: kulturelle Vielfalt.

(gala)
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