Hückeswagen 650 Löcher für die Blindgängersuche

Hückeswagen · Während die Hückeswagener sorglos ihre Einkäufe tätigen, wird auf der Baustelle am Etapler Platz nach Blindgängern gesucht. Doch was passiert eigentlich, wenn der Bohrer auf eine Bombe stößt? Feuerwerker Jörg Köning berichtet.

 Feuerwerker Jörg Köning beaufsichtigt die Baustelle auf dem Etapler Platz. Innerhalb von zwei Monaten werden dort 650 Löcher eingebracht und sondiert, um Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg zu finden.

Feuerwerker Jörg Köning beaufsichtigt die Baustelle auf dem Etapler Platz. Innerhalb von zwei Monaten werden dort 650 Löcher eingebracht und sondiert, um Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg zu finden.

Foto: Nico Hertgen

Die Tragödie während der Bauarbeiten an der Autobahn 3 bei Aschaffenburg wäre vermeidbar gewesen. Vor acht Jahren detonierte dort ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg und riss einen Bauarbeiter in den Tod. Damit sich solch ein Szenario in Hückeswagen nicht wiederholt, ist der Kampfmittelräumungsdienst der Dürener Firma Röhll aktiv. Die Mitarbeiter suchen auf dem Gelände des ehemaligen Raiffeisenmarkts, auf dem im Frühjahr der Neubau der Firma Horus errichtet werden soll, nach Blindgängern.

Anders als in Bayern sind in Nordrhein-Westfalen die örtlichen Ordnungsbehörden für die Gefahrenabwehr und somit auch für den Schutz vor den von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren zuständig. "Diese Vorschriften werden besonders in NRW sehr beachtet", sagt Jörg Köning, Feuerwerker der Firma Röhll. Er beaufsichtigt unter anderem die Baustelle in der Schloss-Stadt, wo innerhalb von zwei Monaten rund 650 Löcher eingebracht und sondiert werden.

Die beiden eingesetzten Bohrbagger sind Multifunktionsgeräte, die von speziell ausgebildeten Baggerführern bedient werden. Die Gefahr bei den Bohrungen ist daher überschaubar. "Es werden keine Lafetten und keine Schlageinrichtungen benutzt", erklärt der 57-jährige Fachmann. Stattdessen hängt das Gestänge frei in der Luft. Die Bohrschnecke dreht sich selbstständig ins Erdreich. Sollte der Baggerführer auf einen Widerstand stoßen, stellt er die Bohrung sofort ein. Durch die gewollte Instabilität gleitet der Bohrer von festen Körper wie Stahlrohren, Leitungen oder Bomben ab.

Die Sonde, die anschließend in das gebohrte Loch eingelassen wird, liefert Daten, ähnlich wie ein Metallsuchgerät. Sollten Anomalien vor Ort gefunden werden, so wird die Fundstelle bis auf einen halben Meter vom Objekt entfernt mit dem Bagger ausgeschachtet, der Rest per "Handarbeit". Die Entschärfung einer eventuellen Bombe liegt dann nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Firma Röhll. "In NRW ist der staatliche Kampfmittelräumdienst für die Entsorgung zuständig", sagt der Fachmann. Um die Evakuierung der Bevölkerung hat sich das Ordnungsamt zu kümmern. "Blindgänger mit Zünder gibt es ab 50 Kilogramm. Da liegt der Evakuierungsradius schnell bei 200 bis 300 Meter", verdeutlicht Jörg Köning das Szenario. Der Etapler Platz wäre dann bis mindestens zur Bahnhofstraße hin menschenleer.

Bisher wurden keine Kampfmittel auf dem Bauplatz gefunden, obwohl der ehemalige Güterbahnhof im Krieg nachweislich Kampfgebiet war und unter Beschuss stand. Beim Bau der Alten Ladestraße kamen bei den Ausschachtungen zahlreiche Bombensplitter zutage.

Das Feld am Etapler Platz wird per vorgeschriebenem Bohrraster systematisch abgesucht. Die Bohrungen im Durchmesser von zwölf Zentimeter erfolgen in einem Abstand von zwei Metern und sind jeweils sieben Meter tief. Nach zehn bis 15 Bohrungen werden die Löcher mit einer Sonde detektiert. Die gesammelten Daten werden täglich per Computer ausgewertet. Wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, werden Rüttelstopfsäulen in den Boden gerammt, um für eine ausreichende Tragfähigkeit des Gebäudes zu sorgen. "Die Bauherrn brauchen die Kampfmittelfreigabe, ohne die nicht eine Säule eingesetzt wird", beschreibt der Feuerwerker die Notwendigkeit der Vorarbeiten. Nach dem tödlichen Unfall in Aschaffenburg war die Firma Röhll mit 20 Mitarbeitern eineinhalb Jahre an der A3 im Einsatz und spürte weitere drei Bomben und mehrere kleinere Brandmittel auf und beseitigte sie.

Der Beruf des Feuerwerkers hat auch Vorteile: Sein Silvesterfeuerwerk könnte sich Jörg Köning theoretisch selbst zusammenbasteln. "Ich schaue aber lieber dabei zu", sagt er schmunzelnd.

(heka)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort